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Das Königreich Italien (italienisch Regno d’Italia) war ein Staat in Südeuropa, welcher von 1861 bis 1946 auf dem Gebiet der heutigen Italienischen Republik und Teilen derer Nachbarstaaten bestand. Während dieses Zeitraums war Italien (formal auch während der Zeit des Italienischen Faschismus von 1922 bis 1943) eine zentralistisch organisierte, am monarchischen Prinzip ausgerichtete konstitutionell-parlamentarische Monarchie. Die Gründung des Königreichs 1861 erfolgte im Zuge der Risorgimentobewegungen, in deren Endphase mit der Proklamation des sardischen Königs Viktor Emanuel II. zum König von Italien am 17. März 1861 in Turin der erste moderne italienische Nationalstaat unter der Herrschaft des Hauses Savoyen entstanden war. 1866 erklärte er dem Kaisertum Österreich den Krieg und erwarb Venetien mit Friaul. 1871 folgte der Kirchenstaat mit Rom, womit die italienischen Unabhängigkeitskriege endeten. Während einer langen liberaleren politischen Phase stieg das Königreich Italien unter König Umberto I. 1878 zur Großmacht auf und beteiligte sich ab den 1880er Jahren am kolonialen Wettlauf um Afrika, wo es mehrere Kolonialkriege in Ostafrika und von 1911 bis 1912 um das spätere Italienisch- Libyen einen Krieg gegen das Osmanische Reich führte. 1882 wurde mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn die Allianz des Dreibundes geschlossen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich Italien von einem Agrarstaat, ähnlich wie Frankreich und Österreich-Ungarn, zum bedeutendsten Industrieland des Mittelmeerraums gewandelt. Es kam unter Umbertos Nachfolger Viktor Emanuel III. ab 1900 in den großen industriellen Ballungszentren Oberitaliens zum Aufstieg der organisierten Arbeiterschaft und des Bürgertums sowie von Massenverbänden und -parteien. Im Süden hielt der wirtschaftliche Aufschwung dagegen nur langsam Einzug. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 erklärte Italien seine Neutralität. Nach dem Londoner Vertrag von 1915, in dem umfassende territoriale Zugeständnisse vereinbart wurden, folgte im gleichen Jahr der Kriegseintritt an der Seite der Entente. Nach der Schlacht von Vittorio Veneto 1918, die maßgeblich zur Auflösung des Habsburgerreiches beitrug, gehörte das Königreich zu den Hauptsiegermächten und hatte im Völkerbundsrat einen ständigen Sitz inne. Das Ende des Weltkriegs löste 1919 eine schwere Staatskrise aus. In dieser übernahm die Nationale Faschistische Partei unter Benito Mussolini mit dem Marsch auf Rom 1922 die Macht und höhlte die Demokratie bis 1926 schrittweise aus. Das faschistische Regime begann nach einer Zeit der Anlehnung an die westlichen Demokratien und der inneren Konsolidierung, die durch einen enormen Wirtschaftsaufschwung und die seit 1923 laufende Wiedereroberung Libyens geprägt war, eine aggressive Außenpolitik. Nach der Überwindung der Weltwirtschaftskrise von 1929 begann 1935 die italienische Eroberung Äthiopiens, die der Westen mit Wirtschaftssanktionen beantwortete. Italien war international isoliert. Ab 1936 wandte sich Italien Nazideutschland zu. Dieses unterstützte wiederum die angestrebte italienische Vormachtstellung im Mittelmeer und auf der Balkanhalbinsel. 1936 wurde das spätere Bündnis der Achsenmächte begründet und bis 1939 intervenierten beide Staaten zusammen im spanischen Bürgerkrieg zugunsten der Putschisten unter Francisco Franco. Dieser Prozess ging mit einer zunehmenden Ideologisierung und Radikalisierung des Regimes einher. 1937 wurden die Italienischen Rassengesetze für die Kolonien erlassen, welche hauptsächlich die einheimische Bevölkerung in den Kolonien entrechteten, und die Zwangsitalianisierung der ethnischen Minderheiten verschärft. 1938 folgten die antisemitischen Rassengesetze. Nach dem Anschluss Österreichs und dem Münchner Abkommen 1938 okkupierten italienische Truppen 1939 Albanien. Im Zweiten Weltkrieg bildete Italien ein wichtiges Mitglied der Achsenmächte. Nach anfänglichen Erfolgen führten die ab Sommer 1941 schnell aufeinanderfolgenden Niederlagen in Ostafrika, Nordafrika und der Sowjetunion zu einem Rückhaltsverlust des faschistischen Regimes und der Monarchie in der Bevölkerung. Die alliierte Landung auf Sizilien 1943 bewirkte im Juli den Sturz der faschistischen Diktatur und im Waffenstillstand von Cassibile schied Italien aus dem Achsenbündnis aus. Am 13. Oktober 1943 erfolgte der erneute Kriegseintritt auf der Seite der Alliierten. Die Wehrmacht besetzte daraufhin den Norden des Landes und errichtete mit der Italienischen Sozialrepublik eine Marionettenregierung, welche unter der formalen Führung des alten faschistischen Regimes bis zum Frühjahr 1945 bestand. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs musste die italienische Monarchie den Verlust ihres Kolonialreiches und der Besitzungen in Istrien und Dalmatien durch Jugoslawien hinnehmen und eine Wirtschaftskrise überwinden, welche durch einen erheblichen Rückgang der Industrieproduktion, Lebensmittelknappheit und der Zerstörung von weiten Teilen der Infrastruktur in Nord- und Mittelitalien ausgelöst worden war. Im Mai 1946 dankte Viktor Emanuel III. zugunsten seines Sohnes Umberto II. ab. Dieser regierte nur 40 Tage. Am 2. Juni 1946 wurde die Monarchie nach einem Referendum abgeschafft und die Italienische Republik ausgerufen, die 1947 alle Ansprüche auf Istrien und die ehemaligen Kolonien aufgab, 1948 den italienischen Adel rechtlich abschaffte und die Savoyer ins Exil schickte. Einigungsprozess (1848–1871) Die Gründung des Königreichs Italien war das Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen italienischer Nationalisten und Monarchisten, die gegenüber dem Haus Savoyen loyal waren, ein vereinigtes Königreich auf der Apenninenhalbinsel zu errichten. Nach der Revolution von 1848/49 etablierten sich vorerst die Revolutionäre Giuseppe Garibaldi und Giuseppe Mazzini als Führer der italienischen Einigungsbewegung. In der Welt war Garibaldi hauptsächlich wegen seiner extrem treuen Anhänger und seiner militärischen Leistungen in Südamerika bekannt. Er strebte die Vereinigung von Süditalien zu einer konstitutionellen Republik an, stand aber damit im Gegensatz zur norditalienischen Monarchie des Hauses Savoyen im Königreich Sardinien, das nach dem Wiener Kongress der letzte bedeutende und militärmächtige italienische Staat gewesen war. Die sardinische Regierung unter der Führung von Graf Camillo Benso von Cavour hatte ebenfalls Ambitionen zur Verwirklichung eines vereinten italienischen Staates. Obwohl die Monarchie keinerlei politische, kulturelle oder geschichtliche Verbindung zu Rom hatte, wurde sie von Cavour trotzdem als die natürliche Hauptstadt von Italien angesehen. Gegenüber Garibaldi hatte das Königreich Sardinien mit der Ausschaltung des Einflusses des Kaisertums Österreich im Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieg 1859 und der Annexion der Lombardei vom österreichischen Kronland Lombardo-Venetien einen wichtigen machtpolitischen Vorteil. Zudem hatte Cavour sein Land mit Allianzen mit Großbritannien und Frankreich, die zur Verbesserung der Möglichkeiten der Einigung Italiens dienen sollten, abgesichert. Im Krimkrieg von 1853 bis 1856 hatte Sardinien dies mit der Intervention eines eigenen 15.000 Mann starken Expeditionskorps zugunsten von Frankreich und Großbritannien gegen das Russische Reich untermauert. Zudem standen die meisten Aufständischen und Revolutionäre in den italienischen Teilstaaten wie dem Großherzogtum Toskana, im Herzogtum Modena und im Herzogtum Parma Sardinien loyal gegenüber. Um die außenpolitische Allianz zu stärken, trat 1860 Sardinien als Dank an Frankreich im Vertrag von Turin Savoyen und die Grafschaft Nizza ab, was aber in Cavours Regierung auf Widerstand stieß. Im Frühjahr 1860 erstarkte Garibaldis revolutionäre Bewegung in Süditalien. Seinen Freischärlern („Zug der Tausend“) gelang im Februar 1861 die vollständige Besetzung des Königreichs beider Sizilien, und sie zwangen Franz II. zur Flucht. Die sardische Regierung wollte daraufhin die Randregionen des Kirchenstaats besetzen, um den Revolutionären zuvorzukommen. Das Vorhaben führte zur Annexion einiger kleinerer Randgebiete. So blieben Rom und seine Umgebung weiterhin unter der Kontrolle von Papst Pius IX. Trotz des Rückschlags und der ideologischen Unterschiede zwischen dem sardinischen Königshaus und Garibaldi lenkte letzterer ein und trat von seinem Führungsanspruch zurück. Sardinien besetzte daraufhin Umbrien und die Marken, und Süditalien trat dem Norden bei. Das sardinische Parlament proklamierte anschließend am 18. Februar 1861 die Gründung des Königreichs Italien (offiziell am 17. März 1861 öffentlich verkündet). Am 17. März 1861 wurde König Viktor Emanuel II. von Sardinien-Piemont aus dem Haus Savoyen im ersten gesamtitalienischen italienischen Parlament zum König von Italien ausgerufen. Nach der Vereinigung Italiens kam es zu erneuten Spannungen zwischen Monarchisten und Republikanern. Im April 1861 forderte Garibaldi in der Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments Cavour zum Rücktritt auf. Grund dafür war Cavours kompromissloses Vorgehen gegen republikanische Guerillakämpfer im Brigantenkrieg im Süden. Als am 6. Juni 1861 Cavour starb, bildeten sich unter seinen Nachfolgern in der anschließenden politischen Instabilität mehrere politische Lager. Garibaldi und die Republikaner wurden mit ihren Forderungen dabei immer revolutionärer. Die Verhaftung Garibaldis nach einem Gefecht zwischen königlich italienischen Truppen und seinen Anhängern am 29. August 1862 am Aspromonte war Anlass einer weltweiten Kontroverse. Im Jahre 1866 bot der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck König Viktor Emmanuel II. ein Bündnis mit dem Königreich Preußen (Preußisch-Italienischer Allianzvertrag) an. Italien nahm es an und erklärte am 20. Juni 1866 dem Kaisertum Österreich im Dritten Italienischen Unabhängigkeitskrieg den Krieg. Der neuen Königlich italienischen Armee und Marine erging es jedoch schlecht in diesem unkoordinierten Parallelkrieg zu Preußen. Die Versuche zur Eroberung Venetiens und Friauls scheiterten. Da Preußen aber seinen Krieg gegen Österreich gewann, konnte Italien die beiden Gebiete besetzen und am 25. Juli 1866 annektieren. Das Haupthindernis für die italienische Einheit blieb aber Rom. Graf Camillo Benso von Cavour, erster Präsident des Ministerrates (Ministerpräsident) des Königreichs Italien Graf Camillo Benso von Cavour, erster Präsident des Ministerrates (Ministerpräsident) des Königreichs Italien Im Juli 1870 brach zwischen Preußen und Frankreich der Deutsch-Französische Krieg aus. Um die große und schlagkräftige Preußische Armee in Schach zu halten, ließ der französische Kaiser Napoleon III. die französischen Truppen in Rom abziehen. Viktor Emanuel II. ließ daraufhin ab dem 11. September 1870 Rom angreifen. Am 20. September 1870 wurde Rom und der Rest des Kirchenstaates eingenommen (sog. „Breccia di Porta Pia“). Das Unternehmen stieß, bis auf die Truppen der päpstlichen Schweizergarde, kaum auf Widerstand. Mit der Proklamation Roms zur Hauptstadt vom 26. Januar 1871 und dem feierlichen Einzug des Königs endete die italienische Einigung. Danach verlegte die Regierung ihren Sitz von Florenz in die neue Hauptstadt. Obwohl die Einigung des Königreichs Italien unter den Italienern bis 1871 auf breiten Zuspruch gestoßen und durch Referenden in den einzelnen Regionen legitimiert war, waren die Bedingungen zum Aufbau des neuen Staates schlecht. Die wirtschaftliche Lage war katastrophal. Es gab keine Industrie oder Transportmöglichkeiten, und im Süden herrschte extreme Armut („Mezzogiorno“). Wegen der hohen Analphabetenrate und der Regel, dass das Wahlrecht an eine bestimmte Einkommensgrenze gekoppelt war, hatten im Jahre 1861 nur 2 % der Gesamtbevölkerung das Recht zu wählen. Bei den ersten Parlamentswahlen im Januar 1861 konnten von 26 Millionen Menschen lediglich 419.938 Personen wählen gehen. Am Ende wurden die gültigen Stimmen auf 170.567 Personen reduziert, von denen rund 70.000 Angestellte des Staates, 85 Fürsten, Herzöge und Markgrafen, 28 Offiziere, 78 Rechtsanwälte, Ärzte und Ingenieure waren. Der neue Staat übernahm die sardinisch-piemontesische Verfassung von 1848, die eine konstitutionell-parlamentarische Monarchie festschrieb. Italien erhielt eine sehr zentralistische Verwaltung und wurde ähnlich wie Frankreich in Provinzen gegliedert. Nach der Eroberung von Rom im Jahre 1870 standen die Beziehungen zwischen dem Königreich Italien und dem Vatikan für die nächsten 60 Jahre auf einem Tiefpunkt. Die Päpste bezeichneten sich selbst als „Gefangene im Vatikan“. Die katholische Kirche protestierte häufig gegen Aktionen und Schritte der weltlichen und teilweise antiklerikal beeinflussten verschiedenen italienischen Regierungen und verweigerte jegliche Zusammenarbeit mit Abgesandten des Königs oder dem italienischen Staat. Erst 1929 konnte die sogenannte „Römische Frage“ mit der Unterzeichnung der Lateranverträge gelöst werden. Struktur des Staates Das Königreich Italien übernahm in vielen Bereichen die staatlichen Strukturen des Vorgängerstaates Königreich Sardinien, welche schrittweise auf das ganze Land übertragen wurden. Erst ab den späten 1870er Jahren kam es zu einer vorsichtigen Abkehr von diesen Strukturen, welche (wie beispielsweise durch das Beibehalten der Verfassung von 1848) im Kern aber bis zum Ende der Monarchie 1946 bestehen blieben. Eine große Herausforderung für die Ministerpräsidenten des neuen Staates war die Integration der politischen und administrativen Systeme der sieben verschiedenen Vorgängerstaaten in eine einheitliche Politik und die Schaffung eines zentralistischen Einheitsstaates nach französischem Vorbild. Die Vorgängerstaaten waren stolz auf ihre eigenen historischen Muster und es herrschte ein ausgeprägter Regionalismus. Die sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Vorgängerstrukturen konnten nur schwer angepasst werden. Ministerpräsident Cavour begann bereits vor 1861 mit der Planung einer Vereinheitlichung des Staatswesens, starb aber bevor diese voll entwickelt wurde. Am einfachsten erwies sich die Harmonisierung der Verwaltungsgliederung der italienischen Regionen. Sie folgten praktisch alle dem napoleonischen Verwaltungsmuster des ersten französischen Kaiserreiches. Die zweite Herausforderung bestand darin, ein stabiles und lebhaftes parlamentarisches System zu entwickeln. Cavour und die meisten Liberalen bewunderten das britische System einer parlamentarischen Monarchie und übertrugen es auf die italienische Tagespolitik. Die Harmonisierung der Königlichen Armee und Marine war viel komplizierter, vor allem weil die Systeme der Rekrutierung von Soldaten und die Auswahl und Förderung der Offiziere unter den Staaten sehr unterschiedlich waren. Diese Desorganisation führt auch zur Niederlage der italienischen Marine und Armee im Krieg von 1866. Das sardinische Militärsystem konnte daher erst über mehrere Jahrzehnte langsam auf die italienischen Regionen übertragen und die ehemaligen Vorgängerarmeen in die neue Königliche Armee integriert werden. Auch im Bildungssystem und im Bereich des Rechtes gab nur wenige verbindende Elemente. Territorium Das Königreich Italien umfasste das ganze Territorium des heutigen Italien und Teile seiner direkten und indirekten Nachbarstaaten Frankreich, Griechenland, Albanien, Montenegro, Kroatien, Slowenien, Tunesien und Libyen. Das Land hatte im Verlauf seiner Geschichte auch durch seine europäischen Kolonialgebiete mehrere wechselnde Nachbarländer: Frankreich im Westen und Nordwesten (1861–1946), die Schweiz im Norden (1861–1946), Österreich-Ungarn im Nordosten (1861–1918), Österreich im Norden (1918–1938 und 1945–1946) das Deutsche Reich im Norden (1938–1945), Jugoslawien im Osten (1918–1941 und 1945–1946), Kroatien, Serbien und Montenegro im Osten (1941–1945), Griechenland im Südosten (1939–1945), Bulgarien im Südosten (1941–1945), Französisch-Tunesien im Südwesten (1939–1942 und de jure 1943–1946), Ägypten (1939–1943 und de jure 1943–1946) und Französisch-Algerien (1939–1943). Die territoriale Entwicklung des Königreichs schritt bis 1870 während der italienischen Unabhängigkeitskriege und des Risorgimento fort. Danach folgte eine lange Friedenszeit mit nur kleinen Gebietserwerbungen in Europa (1912 Annexion der Dodekanes-Inseln, am 30. Oktober 1914 Besetzung der albanischen Insel Sazan). Während dieser Periode war der italienische Staat nicht im Besitz der italienisch- besiedelten Gebiete Triest und Trentino-Südtirol, welche heute beide zu Italien gehören. Im Irredentismus wurden von Nationalisten weitere Gebiete gefordert, um die Vereinigung aller Italiener innerhalb Italiens abzuschließen. So wurde noch der Anschluss von Istrien, Korsika, Nizza, Savoyen, Monaco, der schweizerischen Kantone Tessin, Wallis, Graubünden und Genf, Dalmatien, Malta, San Marino, Montenegro und Albanien gefordert, was zu Konflikten mit den Nachbarstaaten, vor allem mit Frankreich, Österreich-Ungarn und Serbien (siehe auch Großserbien), führte. Im Londoner Vertrag von 1915 wurden Italien von Frankreich, Großbritannien und dem Russischen Kaiserreich das Trentino, Tirol bis zum Brenner, Triest, Görz und Gradisca d’Isonzo, Istrien und Norddalmatien (ohne Fiume) und Albanien versprochen. Nach dem Ersten Weltkrieg konnte sich Italien 1919 aus dem Territorium der zusammengebrochenen Habsburgermonarchie das Trentino und Südtirol sichern, dazu kamen das Küstenland mit Teilen des Herzogtums Krain und einige dalmatische Inseln mit der der Stadt Zara. Die Ansprüche auf Norddalmatien und die meisten dalmatinischen Inseln, welche Italien ebenfalls versprochen worden waren, musste das Königreich im Friedensvertrag von Versailles 1919 auf Druck von US-Präsident Woodrow Wilson, welcher das Selbstbestimmungsrecht der Völker propagierte und auf einem Kompromiss Italiens mit dem neuen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen bestand, aufgeben. Während der Zeit des Faschismus begann eine erneute Phase der territorialen Expansion mit dem Ziel der Errichtung eines Großitaliens (Italia Imperiale). 1924 wurde mit dem Vertrag von Rom Fiume, 1939 nach der Riconquista della Libia Nordlibyen und Albanien annektiert und zum integralen Bestandteil der italienischen Nation erklärt.[13] Im Zuge des Zweiten Weltkrieges folgten Teile Südostfrankreichs (siehe Westfeldzug), 1941 der Großteil Sloweniens (zusammengefasst in Provinz Laibach (italienisch Provincia di Lubiana)) und Dalmatiens (zusammengefasst im Gouvernorat Dalmatien (italienisch Governatorato di Dalmazia)) und die griechischen Ionischen Inseln (italienisch Isole Ionie) und 1942 Tunesien (mit Libyen zur Vierten Küste (italienisch Quarta Sponda) zusammengefasst). Nach dem Zweiten Weltkrieg musste das Königreich Italien alle diese Gebiete zurückgeben und wurde de jure in den Grenzen von 1938 wiederhergestellt, wobei sich Teile von dessen Territorium unter der teilweisen oder vollständigen Kontrolle Griechenlands, Jugoslawiens, Frankreichs und Großbritanniens befanden. Das Königreich Italien besaß auch mehrere außereuropäische Kolonien, Protektorate, Marionettenstaaten und militärisch besetzte Gebiete wie Italienisch-Eritrea (ab 1882 schrittweise besetzt, 1890 zur Kolonie zusammengefasst) Italienisch-Somaliland (ab 1888 schrittweise besetzt, zunächst bestand eine indirekte Herrschaft), Italienisch-Libyen (1911 vom Osmanischen Reich erworben und 1934 nach der Wiedereroberung Libyens vereinigt), Antalya und Umgebung (von 1919 bis 1923 besetzt), Äthiopien (besetzt von 1936 bis 1941 und Teil von Italienisch-Ostafrika), Albanien (von 1917 bis 1920 und seit 1925 de facto italienisches Protektorat (siehe Königreich Albanien), 1939 besetzt), Britisch-Somaliland (von 1940 bis 1941 besetzt und an Italienisch- Ostafrika angegliedert), der Hellenische Staat (von 1941 bis 1943 besetzt, de facto Protektorat (siehe Geschichte Griechenlands), der Unabhängige Staat Kroatien (italienisch Stato Indipendente di Croazia) (italienisches Protektorat von 1941 bis 1943, zusammen mit Hitlerdeutschland besetzt), Kosovo (Teil Italienisch-Albaniens ab 1941), der Unabhängige Staat Montenegro (italienisch Stato Indipendente del Montenegro) von 1941 bis 1943 besetzt, Protektorat) und eine kleine 46 Hektar große Konzession in der chinesischen Stadt Tianjin. Die Italienische Republik musste auf der Pariser Friedenskonferenz 1946 und im anschließenden Friedensvertrag vom 10. Februar 1947 auf alle Kolonien und Protektorate verzichten, abgesehen von Italienisch-Somaliland, welches sich als UN-Treuhandgebiet bis 1960 unter italienischer Kontrolle befand und dann im Staat Somalia aufging. Territoriale Entwicklung des Königreichs Italien in Europa Territoriale Entwicklung des Italienischen Kolonialreichs Politisches System Das Königreich Italien war der Theorie nach eine konstitutionelle Monarchie. Die Exekutivmacht gehörte dem Monarchen und er alleine ernannte und entließ alle Minister und sie waren theoretisch ihm alleine verantwortlich. In der Praxis war jedoch keine italienische Regierung ohne Unterstützung des Parlaments im Amt. De facto war das Königreich Italien spätestens ab 1876/78 eine parlamentarische Monarchie nach britischem Muster. Das Wahlrecht, zunächst beschränkt auf ausgewählte Bürger, wurde allmählich erweitert. Im Jahre 1911 führte die Regierung von Giovanni Giolitti das allgemeine Wahlrecht für männliche Bürger ein. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sahen viele Beobachter in Italien im Vergleich zu anderen Ländern eine moderne und weitgehend stabile parlamentarische Demokratie. Zwischen 1925 und 1943 war Italien quasi de jure eine faschistische Diktatur, da die Verfassung offiziell ohne Veränderung durch die Faschisten in Kraft blieb, jedoch wurden in der faschistischen Zeit von 1922 bis 1943 viele Gesetze erlassen, die verfassungsdurchbrechenden Charakter hatten. Verfassung Die Verfassung des Königreichs, offiziell Staatsgrundgesetz des Königreichs Italien (italienisch Legge organica del Regno d'Italia), beruhte auf dem Fundamentalstatut vom 4. März 1848, der vom König Karl Albert dem Königreich Sardinien verliehenen Konstitution. Die Regierungsform war hiernach die repräsentativ-monarchische. Die individuelle Freiheit war garantiert; die Wohnung war unverletzlich; die Presse war frei; das Recht der Versammlung wurde anerkannt. Jeder Bürger hatte das Recht der Petition an das Parlament. Während der späten 1800er und frühen 1900er Jahre wurde die Verfassung einige Male geändert und deren Interpretation liberalisiert, so dass der König sich kaum in die Tagespolitik einmischte und alle Regierungen die Unterstützung des Parlaments benötigten. Der Monarch galt aber weiterhin als „Garant der Stabilität und Kontinuität“ und ihm blieb noch eine starke Position in der Außen- und Militärpolitik sowie in Krisenzeiten. Die Verfassung blieb auch während der faschistischen Herrschaft formal in Kraft und wurde erst im Jahr 1948 durch die heutige Verfassung der Italienischen Republik abgelöst. Monarchen Der König von Italien war Inhaber der Staatsgewalt, er konnte das Recht der Gesetzgebung aber nur im Verein mit dem Nationalparlament ausüben. Der Thron vererbte sich nach dem Salischen Gesetz im Mannesstamm des königlichen Hauses von Savoyen. Der König bekannte sich mit seinem Haus zur römisch-katholischen Kirche. Er wurde mit dem vollendeten 18. Lebensjahr großjährig und legte bei seinem Regierungsantritt in Gegenwart beider Kammern einen Eid auf die Verfassung ab. Sein Titel war nach dem Gesetz vom 17. März 1861: „Von Gottes Gnaden und durch den Willen der Nation König von Italien und König von Albanien (nur von 1939 bis 1943) und Kaiser von Äthiopien (nur von 1936 bis 1943)“. Er verlieh die fünf Ritterorden Savoyens und übte verfassungsmäßig die Hoheitsrechte aus. Er führte den Befehl über die Land-, See- und Luftmacht; er erklärte Kriege, schloss Friedens-, Allianz-, Handels- und sonstige Verträge, von denen nur jene, welche eine Belastung der Finanzen oder eine Veränderung des Gebiets in sich schlossen, zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Kammern bedurften. Der König ernannte zu allen Staatsämtern, sanktionierte und verkündete die Gesetze, welche sowie die Regierungsakte von den verantwortlichen Ministern gegengezeichnet sein mussten, und erließ die zur Ausführung der Gesetze notwendigen Dekrete und Reglements. Die Justiz wurde in seinem Namen gehandhabt, ihm allein kam die Begnadigung und Strafmilderung zu. Regierung und Ministerien Die vollziehende Gewalt wurde vom König durch die verantwortlichen Minister ausgeübt, welche im Ministerrat (inoffiziell gebräuchlich Königlich Italienische Regierung (ital. Gouverno italiano reale)) zusammentraten. Neben diesem bestand ein Staatsrat, welcher konsultative Befugnisse besaß und über Kompetenzkonflikte zwischen Administrativbehörden und Gerichten sowie über Streitigkeiten zwischen dem Staat und seinen Gläubigern entschied. Er bestand aus einem Präsidenten, drei Sektionspräsidenten, 24 Staatsräten und dem Dienstpersonal und wurde auf Vorschlag des Ministerrats vom König ernannt. Die oberste Staatsverwaltung war unter folgende Ministerien, mit dem Sitz in Rom, verteilt: das Ministerium für die auswärtigen Angelegenheiten (mit dem Rat für diplomatische Streitsachen); das Ministerium des Innern (mit dem Obersanitätsrat); das Ministerium für Gnade, Justiz und Kultus; das Ministerium der Finanzen und des Schatzes; das Kriegsministerium (ihm sind die Komitees für den Generalstab, die Linienwaffen, die königlichen Karabiniere, für Artillerie und Genie, für das Militärsanitätswesen und das oberste Kriegs- und Marinetribunal unterstellt); das Marineministerium (mit dem Obermarinerat); das Ministerium des öffentlichen Unterrichts (mit dem Oberunterrichtsrat); das Ministerium der öffentlichen Arbeiten (mit dem oberen Rat für die öffentlichen Arbeiten und dem Eisenbahnrat); das Ministerium für Ackerbau, Industrie und Handel (mit dem Bergrat und der statistischen Zentralgiunta); das Ministerium für Kolonien (seit 1937 Ministerium für Italienisch-Afrika); das Ministerium für die befreiten Gebiete (für die nach dem Ersten Weltkrieg besetzten und annektierten Gebiete); das Ministerium für Verkehr; das Luftfahrtministerium; das Erziehungsministerium; das Ministerium für Post und Telegraph; das Arbeitsministerium; das Landwirtschaftsministerium Kriegsbedingt entstand während des Ersten und Zweiten Weltkriegs eine Reihe weiterer kurzlebiger Ministerien. Eine selbstständige Stellung besaß der Rechnungshof des Königreichs. Parlament Die Volksvertretung des Königreichs Italien bestand aus zwei Kammern, dem Senat und der Deputiertenkammer. Der Senat bestand aus den königlichen Prinzen und aus Mitgliedern, welche vom König auf Lebenszeit aus gewissen Kategorien von Staatsbürgern (Inhabern bestimmter Ämter und Würden, um das Vaterland verdienten Männern und Personen, welche jährlich 3000 Lire direkte Steuern zahlten) im Alter von mindestens 40 Jahren ernannt wurden. Die zweite Kammer war die Deputiertenkammer und hatte 508 Mitglieder, welche in 135 Wahlkreisen (in jedem Kreis 2–5 Abgeordnete) im Weg des Listenskrutiniums auf die Dauer von fünf Jahren direkt gewählt wurden. Wähler waren alle Italiener, welche die bürgerlichen und politischen Rechte genossen, das 21. Lebensjahr vollendet hatten, lesen und schreiben konnten und 20 Lire direkte Steuern zahlten oder vermöge bestimmter persönlicher Stellung oder Qualifikation wahlberechtigt waren. Das Frauenwahlrecht wurde erst 1946 eingeführt. Wählbar als Deputierte waren alle Wähler, welche das 30. Lebensjahr zurückgelegt haben. Nicht wählbar waren Seelsorgegeistliche, Staatsbeamte (mit Ausnahme der Minister, Generalsekretäre, höheren Offiziere, Hochschulprofessoren, aber auch diese nur in der Zahl von höchstens 40), Sindaci, Provinzialdeputierte und Personen, die von subventionierten Gesellschaften Gehalt oder Vergütung bezogen. Der König rief die Kammern jedes Jahr zusammen; die Sitzungen waren öffentlich. Das Präsidium des Senats wurde vom König berufen, das der Deputiertenkammer von dieser gewählt. Die letztere besaß das Recht der Ministeranklage, in welchem Fall der Senat als Gerichtshof fungierte. Die Provinzen besaßen eine Selbstverwaltung, deren Ausübung dem von den Gemeindewählern auf fünf Jahre gewählten Provinzialrat und der von diesem berufenen Provinzialdeputation übertragen war. Die Gemeindeorgane waren der auf fünf Jahre gewählte Gemeinderat, die aus der Mitte des Gemeinderats gewählte Munizipalgiunta und der Sindaco, der Chef der Gemeindeverwaltung. Nach einem kurzen multinominalen Experimentieren unter Ministerpräsident Agostino Depretis im bei den Wahlen im Jahre 1882 wurden nach dem Ersten Weltkrieg große, regionale und multisensorische Wahlkreise eingeführt. Die Sozialisten erlangten in den Wahlen von 1919 und 1921 die Mehrheit, konnten jedoch nicht die Regierung stellen. Im November 1923 ersetzte Mussolini dieses System mit dem Acerbo-Gesetz, einer Wahlreform, die der stimmenstärksten Partei, sofern sie mindestens 25 % der Stimmen erhielt, zwei Drittel der Parlamentssitze zuschlug. Parlament des Königreichs Italien Staatssymbole Das erste Staatswappen des Königreichs wurde von Sardinien-Piemont übernommen. Es umfasste in der Mitte das Wappen des Hauses Savoyen und vier italienische Flaggen, welche aus dem Jahre 1848 stammen. Am 4. Mai 1870 wurden per königlichem Dekret zwei Löwen in Gold, welche nun das Wappenschild trugen, ein gekrönter Ritterhelm, der um seinen Kragen den Militärorden von Savoyen, den Orden der Krone von Italien, den Ritterorden der hl. Mauritius und Lazarus und den Annunziaten-Orden trug, eingefügt. Der Wahlspruch FERT wurde gestrichen. Die Löwen führten Lanzen, die die Nationalflagge hielten. Von dem Helm fiel ein königlicher Mantel, welcher die Nation schützen sollte. Oberhalb des Wappens befand sich der Stern Italiens (Italienisch Stella d’Italia). Das neu beschlossene Staatswappen vom 1. Januar 1890 beseitigte den Pelzmantel und die Lanzen und die Krone auf dem Helm wurde durch die Eiserne Krone der Langobarden ersetzt. Die ganze Gruppe stand unter einem Baldachin, gekrönt mit der italienischen Königskrone, über der das Banner Italiens war. Den Fahnenstock trug ein goldener gekrönter Adler. Am 11. April 1929 wurden die beiden Savoyen-Löwen durch Mussolini durch Liktorenbündel ersetzt. Erst nach seiner Entlassung wurde 1944 das alte Wappen von 1890 wieder restauriert. Die Landesfarben der Monarchie waren Grün, Weiß, Rot in senkrechter Streifung. In ihrer Mitte befand sich das Savoyer Wappen. Diese Flagge wurde zum ersten Mal 1848 als Kriegsflagge der Armee des Königreichs Sardinien-Piemont verwendet. Am 15. April 1861 wurde diese Flagge zur Flagge des neuen Staates erklärt. Diese bildete die erste italienische Nationalflagge und war insgesamt 85 Jahre bis zur Gründung der Republik 1946 die Flagge Italiens. Im Jahr 1926 versuchte die faschistische Regierung, die Nationalflagge neu zu entwerfen, indem sie ein Liktorenbündel einfügen wollte. Allerdings stieß dieser Versuch auf eine starke Opposition, vor allem von Seiten von der alten Eliten und der Armee. Als Kompromiss wurde die schwarze Flagge der Faschisten im Inland offiziell neben der Staatsflagge gehisst, eine größere Bedeutung kam dieser aber nicht zu. Militär Der König von Italien war Oberbefehlshaber der Königlich Italienischen Armee von 1861 bis 1940 und 1943 bis 1946. Der Monarch besaß im Militärwesen weitreichende Kompetenzen. Eine parlamentarische Kontrolle erfolgte nur durch die Bewilligung der finanziellen Mittel. Der König hatte das Recht, die Präsenzstärke festzulegen, die Garnisonen zu bestimmen, Festungen anzulegen und für einheitliche Organisation und Formation, Bewaffnung und Kommando sowie Ausbildung der Mannschaften und Qualifikation der Offiziere zu sorgen. Der höchste militärische Rang in der Königlich Italienischen Armee war Erster Marschall des Reiches (ital. Primo maresciallo dell'Impero), welchen nur König Viktor Emanuel III. (1938), Benito Mussolini (1938) und Pietro Badoglio (1943, de facto) trugen. Die Königlich Italienische Armee gliederte sich in die drei Teilstreitkräfte: Regio Esercito (Königliche Armee bzw. Heer) Regia Marina (Königliche Marine) Regia Aeronautica (Königliche Luftwaffe) Milizia Volontaria per la Sicurezza Nazionale (Freiwillige Miliz für die nationale Sicherheit, bekannt als Schwarzhemden, loyal zu Benito Mussolini, 1943 abgeschafft)
Königreich Italien (1861-1946)
Kriegsflagge der Armee talienischer Einigungsprozess Graf Camillo Benso von Cavour, erster Präsident des  Ministerrates (Ministerpräsident) des Königreichs Italien Das Königreich Italien zur Zeit seiner größten Ausdehnung in Europa, 1943 Königliche und Kaiserliche Standarte