Deutsches
Kaiserreich
ist
die
retrospektive
Bezeichnung
für
die
Phase
des
Deutschen
Reichs
von
1871
bis
1918
zur
eindeutigen
Abgrenzung
gegenüber
der
Zeit
nach
1918.
Im
Deutschen
Kaiserreich
war
der
deutsche
Nationalstaat
eine
bundesstaatlich
organisierte
konstitutionelle
Monarchie.
Die
deutsche
Reichsgründung
erfolgte
mit
Beginn
der
Wirksamkeit
der
neuen
Verfassung
zum
1.
Januar
1871.
Sie
wurde
durch
ein
wenig
spektakuläres,
geheim
vorbereitetes
militärisch-höfisches
Zeremoniell
inszeniert,
die
Kaiserproklamation
des
preußischen
Königs
Wilhelm
I.
am
18.
Januar
1871
im
Spiegelsaal
von
Versailles.
Währenddessen
befand
sich
das
Kaiserreich
noch
im
Deutsch-Französischen
Krieg.
Auf
kleindeutscher
Grundlage
und
unter
der
Herrschaft
der
preußischen
Hohenzollern
war
damit
erstmals
ein
deutscher
Nationalstaat
entstanden.
Hauptresidenz des deutschen Kaisers und preußischen Königs war das Berliner Schloss.
Während
der
Zeit
des
Kaiserreichs
war
Deutschland
wirtschafts-
und
sozialgeschichtlich
geprägt
durch
die
Hochindustrialisierung.
Ökonomisch
und
sozial-strukturell
begann
es
sich
besonders
ab
den
letzten
Jahrzehnten
des
19.
Jahrhunderts
vom
Agrar-
zum
Industrieland
zu
wandeln.
Auch
der
Dienstleistungssektor
gewann
mit
dem
Ausbau
des
Handels
und
des
Bankwesens
wachsende
Bedeutung.
Das
auch
durch
die
französischen
Kriegsreparationen
nach
1871
verursachte
Wirtschaftswachstum
wurde
durch
den
sogenannten
Gründerkrach
von
1873
und
die
ihm
folgende
langjährige
Konjunkturkrise
zeitweilig
gebremst.
Trotz
erheblicher
politischer
Folgen
änderte
dies
nichts
an
der
strukturellen
Entwicklung hin zum Industriestaat.
Kennzeichnend
für
den
gesellschaftlichen
Wandel
war
eine
stark
international
orientierte
Reformbewegung,
in
deren
Verlauf
die
soziale
Frage
mit
Armutsskandalisierung
und
-bekämpfung
vorangetrieben
wurde,
Frauen
forderten
verbesserte
Bildungschancen
und
das
Wahlrecht.
Strukturelle
Grundlage
dieser
Veränderungen
waren
neben
der
Massenpolitisierung
ein
rapides
Bevölkerungswachstum,
Binnenwanderung
und
Urbanisierung.
Die
Gesellschaftsstruktur
wurde
durch
die
Zunahme
der
städtischen
Arbeiterbevölkerung
und
–
vor
allem
in
den
Jahren
ab
etwa
1890
–
auch
des
neuen
Mittelstandes
aus
Technikern,
Angestellten
sowie
kleinen
und
mittleren
Beamten
wesentlich
verändert.
Dagegen
ging
die wirtschaftliche Bedeutung des Handwerks und der Landwirtschaft – bezogen auf deren Beiträge zum Volkseinkommen – eher zurück.
Die
innen-
und
außenpolitische
Entwicklung
wurde
bis
1890
vom
ersten
und
am
längsten
amtierenden
Kanzler
des
Reiches
bestimmt,
Otto
von
Bismarck.
Dessen
Regierungszeit
lässt
sich
in
eine
relativ
liberale
Phase,
geprägt
von
innenpolitischen
Reformen
und
vom
Kulturkampf,
und
eine
eher
konservativ
geprägte
Zeit
nach
1878/79
einteilen.
Als
Zäsur
gelten
der
Übergang
zum
Staatsinterventionismus
(Schutzzoll,
Sozialversicherung) sowie das Sozialistengesetz.
Bismarck
versuchte
außenpolitisch,
das
Reich
durch
ein
komplexes
Bündnissystem
abzusichern
(z.
B.
Zweibund
mit
Österreich-Ungarn
1879).
Ab
1884
begann
der
–
später
intensivierte
–
Einstieg
in
den
überseeischen
Imperialismus.
Es
folgten
internationale
Interessenkonflikte
mit
anderen Kolonialmächten, insbesondere der Weltmacht Großbritannien.
Die
Phase
nach
der
Ära
Bismarck
wird
oft
als
Wilhelminisches
Zeitalter
bezeichnet,
weil
Kaiser
Wilhelm
II.
(ab
1888)
nach
der
Entlassung
Bismarcks
persönlich
in
erheblichem
Umfang
Einfluss
auf
die
Tagespolitik
ausübte.
Daneben
spielten
auch
andere,
teilweise
konkurrierende
Akteure
eine
wichtige
Rolle.
Sie
beeinflussten
die
Entscheidungen
des
Kaisers
und
ließen
sie
oft
widersprüchlich
und
unberechenbar
erscheinen.
Durch
den
Aufstieg
von
Massenverbänden
und
-parteien
sowie
die
wachsende
Bedeutung
der
Presse
gewann
zudem
die
öffentliche
Meinung
an
Gewicht.
Nicht
zuletzt
darum
versuchte
die
Regierung
mit
einer
imperialistischen
Weltpolitik,
einer
antisozialdemokratischen
Sammlungspolitik
und
einer
populären
Flottenrüstung
(siehe
Flottengesetze)
ihren
Rückhalt
in
der
Bevölkerung
zu
erhöhen.
Außenpolitisch
führte
Wilhelms
Weltmachtstreben
jedoch
in
die
Isolation;
durch
diese
Politik
trug
das
Reich
dazu
bei,
die
Gefahr
des
Ausbruchs
eines
großen
Krieges
zu
erhöhen.
Als
dieser
Erste
Weltkrieg
schließlich
1914
ausgelöst
wurde,
war
das
Reich
in
einen
Mehrfrontenkrieg
verwickelt.
Auch
in
der
Innenpolitik
gewann
das
Militär
an
Einfluss.
Mit
der
zunehmenden
Anzahl
von
Kriegstoten
an
den
Fronten
und
der
sozialen
Not
in
der
Heimat
(gefördert durch alliierte Seeblockaden) begann die Monarchie an Rückhalt zu verlieren.
Erst
gegen
Kriegsende
kam
es
zu
den
Oktoberreformen
1918,
die
unter
anderem
bestimmten,
dass
der
Reichskanzler
das
Vertrauen
des
Reichstages
haben
musste.
Schon
bald
darauf
wurde
in
der
Novemberrevolution
die
Republik
ausgerufen,
und
die
verfassunggebende
Nationalversammlung
in
Weimar
konstituierte
das
Reich
1919
als
parlamentarische
Demokratie.
Das
heutige
Deutschland
ist
völkerrechtlich
mit
dem
Deutschen
Reich
des
Jahres
1871
identisch,
auch
wenn
sich
Regierungsform
und
Verwaltungsgebiet seither mehrmals geändert haben.
Vorgeschichte
Die
deutsche
Geschichte
des
19.
Jahrhunderts
war
bis
zur
Nationalstaatsgründung
geprägt
von
vielfachen
politischen
und
territorialen
Veränderungen,
die
nach
dem
Ende
des
Heiligen
Römischen
Reiches
Deutscher
Nation
ab
1806
in
eine
neue
Phase
eingetreten
waren.
Das
Alte
Reich,
ein
von
den
römisch-deutschen
Kaisern
geführtes
vor-
und
übernationales
Gebilde
–
seit
Mitte
des
18.
Jahrhunderts
zunehmend
geprägt
von
den
Interessengegensätzen
seiner
beiden
Großmächte
Österreich
und
dem
aufstrebenden
Preußen
–,
zerbrach
durch
die
Napoleonischen
Kriege
und
die
von
Frankreich
initiierte
Gründung
des
Rheinbundes.
Die
Ideen
der
Französischen
Revolution
zwischen
1789
und
1799
und
die
gegen
die
nachfolgende
Hegemonialpolitik
Napoleon
Bonapartes
gerichteten
Befreiungskriege
führten
in
nahezu
ganz
Europa,
einschließlich
des
deutschen
Sprachraums,
zu
Nationalstaatsbewegungen
mit
der
Vorstellung
der
Nation
als
Grundlage
der
Staatenbildung.
Als
großdeutsche
Lösung
wurde
dabei
ein
einheitliches
Reich
unter
Einbeziehung
der
deutschen
Siedlungsgebiete
des
Kaisertums
Österreich,
Preußens
und
Dänemarks bezeichnet, als kleindeutsche Lösung ein Deutsches Reich entsprechend ohne Österreich unter preußischer Führung.
Nach
dem
Sieg
der
gegen
Frankreich
stehenden
Mächte
Europas
(ihnen
voran
Großbritannien,
Preußen,
Russland
und
Österreich)
über
die
Armeen
Napoleons
hatten
die
deutschen
Fürsten
jedoch
kein
Interesse
an
einer
zentralen
Macht,
die
ihre
eigene
Herrschaft
begrenzen
würde.
Auf
dem
Wiener
Kongress
wurde
1815
daher
lediglich
der
Deutsche
Bund
gegründet,
ein
lockerer
Zusammenschluss
jener
Gebiete,
die
vor
1806
zum
Heiligen
Römischen
Reich
Deutscher
Nation
gehört
hatten.
Die
dem
Wiener
Kongress
folgende,
in
der
späteren
Geschichtsschreibung
als
Vormärz
bezeichnete
Ära
war
geprägt
von
der
Restaurationspolitik,
die
überstaatlich
vom
österreichischen
Staatskanzler
Clemens
Wenzel
Fürst
von
Metternich
dominiert
war.
Im
Rahmen
der
sogenannten
Heiligen
Allianz,
einem
zunächst
zwischen
Österreich,
Preußen
und
Russland
geschlossenen
Bündnis,
sollte
die
Restauration
innenpolitisch
und
zwischenstaatlich
die
Machtverhältnisse in Europa wiederherstellen, die im Ancien Régime bis zur Französischen Revolution geherrscht hatten.
Nationalstaatliche
und
bürgerlich-demokratische
Bewegungen
standen
der
Restaurationspolitik
entgegen.
Im
Revolutionsjahr
1848
in
weiten
Teilen
Mitteleuropas
wurde
auch
die
Märzrevolution
in
den
deutschen
Staaten
in
die
revolutionäre
Bewegung
mit
einbezogen.
Abgeordnete
des
daraufhin
neu
entstandenen
ersten
gesamtdeutschen,
demokratisch
gewählten
Parlaments,
der
Frankfurter
Nationalversammlung,
boten
nach
der
Verabschiedung
der
Paulskirchenverfassung
dem
preußischen
König
Friedrich
Wilhelm
IV.
im
Rahmen
der
kleindeutschen
Lösung
die
deutsche
Kaiserkrone
an.
Weil
dieser
aber
mit
Berufung
auf
sein
„Gottesgnadentum“
ablehnte,
scheiterte
der
Versuch,
den
Großteil
der
deutschen
Staaten
auf
konstitutioneller
Basis zu vereinigen.
Der
Deutsche
Bund
bestand
nach
der
letztlich
gewaltsamen
Niederschlagung
der
revolutionären
Bewegung
von
1848/49
noch
bis
1866
fort.
Nach
einem
Jahrzehnt
der
politischen
Reaktion
(Reaktionsära),
in
dem
demokratische
und
liberale
Bestrebungen
erneut
unterdrückt
wurden,
bildeten
sich
ab
Beginn
der
1860er
Jahre
in
den
deutschen
Staaten
die
ersten
politischen
Parteien
im
heutigen
Sinn.
Das
Verhältnis
von
Österreich
und
Preußen
war
in
den
1850er
Jahren
von
Zusammenarbeit
geprägt,
danach
wieder
von
Rivalität.
Unterschiedliche
Vorstellungen
zeigten
sich
etwa
beim
Frankfurter
Fürstentag
1863:
Österreich
und
die
Mittelstaaten
wie
Bayern
wollten
den
Deutschen
Bund
als
Staatenbund
ausbauen,
während
Preußen
eine
bundesstaatliche
Lösung
bevorzugte.
Im
Deutsch-Dänischen
Krieg
1864
arbeiteten
die
beiden
Großmächte wieder zusammen, zerstritten sich dann aber über die Beute Schleswig-Holstein.
Durch
preußische
Provokation
(den
Einmarsch
ins
österreichisch
verwaltete
Holstein)
wurde
1866
der
Deutsche
Krieg
Preußens
gegen
Österreich
ausgelöst,
in
dem
die
Armeen
Preußens
und
einiger
norddeutscher
Staaten
gemeinsam
mit
Italien
gegen
die
Truppen
Österreichs
kämpften,
das
mit
den
süddeutschen
Staaten,
unter
anderen
Baden,
Bayern,
Hessen
und
Württemberg,
verbündet
war.
Nach
der
Niederlage
musste
Österreich
die
Auflösung
des
Deutschen
Bundes
anerkennen
und
hinnehmen,
dass
Preußen
mit
den
Staaten
nördlich
der
Mainlinie
den
Norddeutschen
Bund
als
zunächst
militärisches
Bündnis
gründete.
Dieser erhielt 1867 eine bundesstaatliche Verfassung. Die zuvor mit Österreich alliierten süddeutschen Staaten schlossen Schutz- und Trutzbündnisse mit Preußen ab.
Ausgelöst
durch
einen
diplomatischen
Streit
um
die
spanische
Erbfolge
begann
1870
der
Deutsch-Französische
Krieg.
Die
Kriegserklärung
kam
von
französischer
Seite,
nachdem
der
preußische
Ministerpräsident
Bismarck
Frankreich
politisch
bloßgestellt
hatte.
Die
süddeutschen
Staaten
nahmen
am
Krieg
teil
und
traten
zum
1.
Januar
1871
dem
Norddeutschen
Bund
bei.
Die drei Kriege zwischen 1864 und 1871 werden auch als deutsche Einigungskriege bezeichnet.
Reichsgründung
Der
deutsche
Sieg
bei
Sedan
und
die
Gefangennahme
des
französischen
Kaisers
Napoleon
III.
(beides
am
2.
September
1870)
machten
den
Weg
für
die
Reichsgründung
frei.
Bismarck
begann
mit
den
süddeutschen
Staaten
zu
verhandeln.
Dies
bedeutete
den
Beitritt
Bayerns,
Württembergs
und
Badens
zum
Norddeutschen
Bund
durch
die
im
November
1870
vereinbarte
Gründung
eines
neuen
„Deutschen
Bundes“.
Andere
Pläne
wie
der
eines
Doppelbundes,
wie
ihn
etwa
Bayern
vorgeschlagen
hatte,
waren
nunmehr
chancenlos.
Die
bismarcksche
Lösung
garantierte
zum
einen
eine
Dominanz
Preußens
auch
im
neuen,
sogenannten
zweiten
Deutschen
Reich.
Zum
anderen
bedeutete
der
monarchische Föderalismus eine Barriere gegen Tendenzen zur Parlamentarisierung.
In
der
deutschen
Öffentlichkeit
wurden
Forderungen
nach
einer
Annexion
des
Elsass
und
Teilen
Lothringens
erhoben,
und
Bismarck
machte
sich
diese
Forderungen
zu
eigen.
Dies
verlängerte
den
Krieg,
war
ein
Grund
für
die
Verstärkung
der
„deutsch-französischen
Erbfeindschaft“
(siehe
auch
französischer
Revanchismus)
und
gab
der
nationalen
Begeisterung
in
Deutschland
weiteren
Auftrieb.
Letztere
erleichterte
Bismarck
die
Verhandlungen
mit
den
süddeutschen Staaten, die in den Novemberverträgen mündeten.
Gleichwohl
musste
er
Zugeständnisse
machen,
die
sogenannten
Reservatrechte.
So
behielt
Bayern
in
Friedenszeiten
eine
eigene
Armee
(Bayerische
Armee).
Überdies
hielt
es
genauso
wie
Württemberg
an
einem
eigenen
Postwesen
fest.
Die
süddeutschen
Staaten
insgesamt
behielten
ihre
staatlichen
Eisenbahnen
(Königlich
Bayerische
Staatseisenbahnen,
Königlich
Württembergische
Staats-Eisenbahnen,
Großherzoglich
Badische
Staatseisenbahnen,
Großherzoglich
Hessische
Staatseisenbahnen).
In
der
Außenpolitik
pochten
sie
erfolgreich
auf
eigene
diplomatische Beziehungen.
Der
preußische
König,
Inhaber
des
Bundespräsidiums,
erhielt
den
zusätzlichen
Titel
„Deutscher
Kaiser“.
Diese
Benennung
war
staatsrechtlich
von
untergeordneter,
symbolisch
jedoch
von
erheblicher
Bedeutung
–
die
Erinnerung
an
das
Alte
Reich
erleichterte
die
Identifikation
mit
dem
neuen
Staat.
Um
die
monarchische
Legitimität
des
Nationalstaats
zu
betonen,
war
es
Bismarck
wichtig,
dass
König
Ludwig
II.
als
Monarch
des
größten
Beitrittslandes
König
Wilhelm
I.
die
Kaiserkrone
antragen
sollte.
Nach
Verabredungen
über
Aufbesserungen
seiner
Privatkasse
erklärte
sich
der
widerstrebende,
aber
politisch
isolierte
bayerische
König
zu
diesem
Schritt
bereit
und
schlug
in
dem
von
Bismarck
vorformulierten
Kaiserbrief
vom
30.
November
1870
König
Wilhelm
zum
deutschen
Kaiser
vor.
Die
geheimen
jährlichen
Zuwendungen,
die
Bismarck
aus
dem
Welfenfonds
für
Ludwig
abzweigte,
summierten
sich
auf
4
bis
5
Millionen
Mark.
Bezeichnend
für
den
Charakter
des
neuen
Reiches
war,
dass
die
Vertreter
des
Norddeutschen
Reichstages
warten
mussten,
bis
die
Bundesfürsten
ihre
Zustimmung
zur
Kaiserwürde
erklärt
hatten.
Erst
danach
durften
die
Abgeordneten
den
König
um
eine
Annahme
der
Kaiserkrone
bitten.
Dies
stand
im
deutlichen
Kontrast
zur
Kaiserdeputation
von
1849.
König
Wilhelm
selbst,
der
–
nicht
zu
Unrecht
–
fürchtete,
dass
der
neue
Titel
die
preußische
Königswürde
überdecken
werde,
blieb
lange
ablehnend.
Wenn
überhaupt,
verlangte
er
den
Titel
eines
„Kaisers
von
Deutschland“.
Bismarck
warnte,
dass
die
süddeutschen
Monarchen
dies
kaum
akzeptieren
würden.
Außerdem
lautete
der
verfassungsmäßige
Titel
seit
dem
1.
Januar
bereits „Deutscher Kaiser“. Wilhelm ließ es dann bei der Kaiserproklamation am 18. Januar geschehen, dass der badische Großherzog ein Hoch auf „Kaiser Wilhelm“ ausrief.
Am
3.
März
1871
kam
es
dann
zu
den
ersten
Reichstagswahlen.
Die
erste
konstituierende
Reichstagssitzung
fand
am
21.
März
im
Preußischen
Abgeordnetenhaus
in
Berlin
statt,
das
zur
Reichshauptstadt
erklärt
wurde.
Danach
wurde
die
Verfassung
vom
1.
Januar
1871
überarbeitet
und
am
16.
April
verabschiedet;
sie
ist
normalerweise
gemeint,
wenn
von
der
„Bismarckschen
Reichsverfassung“ die Rede ist.
Der
Friede
von
Frankfurt
beendete
offiziell
den
Deutsch-Französischen
Krieg.
Die
Unterzeichnung
fand
am
10.
Mai
statt.
Das
Reichsland
Elsaß-Lothringen
wurde
dem
Deutschen
Reich
angegliedert
und
unterstand
unmittelbar
dem
deutschen
Kaiser.
Der
Sieg
Preußens
und
der
verbündeten
deutschen
Staaten
und
die
Reichsgründung
wurden
am
16.
Juni
1871
mit
einer
pompösen
Siegesparade
in
Berlin
und
weiteren
deutschen
Städten
gefeiert.
Das
Reichsmünzgesetz
vereinheitlichte
die
deutschen
Währungen,
die
Mark
wurde
1876
als
einheitliche
Währung
im Reich eingeführt und ersetzte die bisherigen Zahlungsmittel der Einzelstaaten. Die neue Mark-Währung basierte auf dem Goldstandard.
Struktur des Reiches
Gebietsgliederung
Dem
Kaiserreich
gehörten
25
Bundesstaaten
(Bundesglieder)
–
darunter
die
drei
republikanisch
verfassten
Hansestädte
Hamburg,
Bremen
und
Lübeck
–
sowie
das
Reichsland
Elsaß-
Lothringen an.
Geografisch-politische Lage in Mitteleuropa
Das Kaiserreich hatte acht Nachbarstaaten:
Im
Norden
grenzte
es
an
Dänemark
(77
Kilometer),
im
Nordosten
und
Osten
an
das
Russische
Reich
(1.322
Kilometer),
im
Südosten
und
Süden
an
Österreich-Ungarn
(2.388
Kilometer),
im
Süden
an
die
Schweiz
(385
Kilometer),
im
Südwesten
an
Frankreich
(392
Kilometer),
im
Westen
an
Luxemburg
(219
Kilometer)
und
Belgien
(84
Kilometer)
und
im
Nordwesten
an
die Niederlande (567 Kilometer).Die Grenzlänge betrug insgesamt 5.434 Kilometer (ohne Grenze im Bodensee).
Diese
Position
wurde
in
der
deutschen
Debatte
um
die
vermeintliche
„Natürlichkeit“
von
historisch
bedingten
Grenzen
und
Räumen
einer
Nation
seit
Beginn
des
19.
Jahrhunderts
als
„Mittellage“ in Europa gekennzeichnet. Diese Diskussion hielt auch während des Kaiserreichs an und findet bis heute Vertreter wie den Publizisten Joachim Fest:
„Deutschlands Schicksal ist die Mittellage in Europa. Entweder wird es von allen Nachbarn bedroht oder es bedroht alle Nachbarn.“
Symbole des Reiches
Das
Deutsche
Reich
hatte
keine
offizielle
Nationalhymne.
Als
Ersatz
galten
die
Lieder
Heil
dir
im
Siegerkranz,
dessen
Melodie
mit
der
britischen Nationalhymne identisch ist, sowie Die Wacht am Rhein und das Lied der Deutschen.
Nach
Art.
55
RV
waren
Schwarz-Weiß-Rot
die
Farben
der
Marineflagge
und
der
Kauffahrteiflagge.
Sie
stammen
noch
aus
der
Zeit
des
Norddeutschen
Bundes.
Die
Farben
setzen
sich
aus
den
Farben
Preußens
(schwarz
und
weiß)
und
denen
der
Freien
und
Hansestädte (weiß über rot) zusammen. Erst 1892 wurde durch Allerhöchsten Erlaß Schwarz-Weiß-Rot zur Nationalflagge bestimmt.
VERFASSUNG
Die
Verfassung
des
Deutschen
Reiches
vom
16.
April
1871
ging
aus
der
1866
ausgearbeiteten
Verfassung
des
Norddeutschen
Bundes
hervor;
Otto
von
Bismarck
hatte
sie
maßgeblich
geprägt
und
auf
sich
zugeschnitten.
Sie
war
zum
einen
ein
Organisationsstatut,
welches
die
Kompetenzen
der
Staatsorgane,
durch
die
das
Reich
handelte,
und
sonstiger
Einrichtungen
des
Reiches
gegenseitig
nach
innen
abgrenzte.
Sie
legte
andererseits
die
Zuständigkeit
des
Reiches
gegenüber
den
Bundesstaaten
fest.
Hier
folgte
sie
dem
Prinzip
der
begrenzten
Einzelermächtigung:
Das
Reich
durfte
nur
für
diejenigen
Angelegenheiten
tätig
werden,
die
dem
Reich
in
der
Verfassung ausdrücklich als Zuständigkeit zugewiesen wurden. Im Übrigen waren die Bundesstaaten zuständig.
Die
Reichsverfassung
verfügt
über
keinen
Grundrechtsteil,
der
die
Beziehung
zwischen
Untertan
(Bürger)
und
Staat
mit
Verfassungsrang
rechtlich
näher
ausgestaltet
hätte.
Lediglich
ein
Benachteiligungsverbot
auf
Grund
der
Staatsbürgerschaft
eines
Bundesstaates
(Inländergleichbehandlung)
war
normiert.
Der
fehlende
Grundrechtsteil
musste
sich
nicht
zwangsläufig
nachteilig
auswirken.
Weil
die
Bundesstaaten
in
der
Regel
die
Reichsgesetze
vollzogen,
wurden
nur
sie
rechtseingreifend
gegenüber
dem
Bürger
tätig.
Maßgeblich
war
daher,
ob
und
welche
Grundrechte
die
Landesverfassungen
vorsahen.
So
enthielt
beispielsweise
die
für
den
Preußischen
Staat
geltende
Verfassung vom 31. Januar 1850 einen Grundrechtskatalog.
Nach
seiner
Verfassung
war
das
Deutsche
Reich
ein
„ewiger
Bund“
der
Bundesfürsten.
Dem
entsprach,
dass
das
Deutsche
Reich
ein
Bundesstaat
war.
Seine
Gliedstaaten
hatten
ausgeprägte
Eigenzuständigkeiten,
wobei
ihnen
zusätzlich
über
den
Bundesrat
eine
bedeutende
Gestaltungsfunktion
auf
Reichsebene
zufiel.
Der
Bundesrat
war
von
Verfassungs
wegen
als
der
eigentliche
Souverän
des
Reiches
gedacht.
Seine
Kompetenzen
waren
dabei
sowohl
legislativer
wie
auch
exekutiver
Art.
Realpolitisch
blieb
seine
Bedeutung
als
eigenständiges
Machtzentrum
aus
verschiedenen
Gründen
allerdings
beschränkt.
Ein
Aspekt
war,
dass
Preußen
als
größter
Bundesstaat
zwar
nur
über
17
von
58
Stimmen
verfügte,
sich
die
nord-
und
mitteldeutschen
Kleinstaaten aber fast immer dem preußischen Votum anschlossen.
Der
König
von
Preußen
bildete
das
Präsidium
des
Bundes
und
trug
den
Titel
eines
Deutschen
Kaisers.
Dem
Kaiser
standen
beachtliche
Kompetenzen
zu,
die
weit
über
das
hinausgingen,
was
die
Bezeichnung
Präsidium
des
Bundes
vermuten
ließ.
Er
ernannte
und
entließ
den
Reichskanzler
und
die
Reichsbeamten
(insbesondere
die
Staatssekretäre).
Er
bestimmte
mit
dem
Reichskanzler,
der
in
der
Regel
auch
noch
preußischer
Ministerpräsident
und
preußischer
Außenminister
war,
die
Außenpolitik
des
Reiches.
Der
Kaiser
führte
den
Oberbefehl
über
die
Kriegsmarine
und
über
das
deutsche
Heer
(über
das
bayerische
Heer
nur
in
Kriegszeiten).
Insbesondere
sah
die
Verfassung
vor,
dass
der
Kaiser,
falls
erforderlich,
mittels
des
Heeres
die
innere
Sicherheit
wiederherstellen
konnte.
Diese
Konzentration
der
Kommandogewalt
wurde
oftmals
in
der
Innenpolitik
als
Druckmittel
eingesetzt.
Die
süddeutschen
Königreiche
Württemberg
und
Bayern
behielten
sich
bei
den
Verfassungsverhandlungen
Reservatrechte
vor.
Allerdings
war
die
Macht
weder
des
preußischen
Königs
noch
des
deutschen
Kaisers
absolut,
sondern sie standen in der Tradition des deutschen Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts wenn auch mit Elementen, die außerhalb der Verfassung standen.
Der
Reichskanzler
war
in
diesem
Machtgefüge
der
dem
Kaiser
verantwortliche
Reichsminister,
dem
die
Staatssekretäre
unterstanden.
Er
hatte
den
Vorsitz
des
Bundesrates
inne,
stand
der
Reichsverwaltung
vor
und
war
in
der
Regel
zugleich
preußischer
Ministerpräsident
und
Außenminister.
Das
demokratische
Defizit
dieser
Verfassung
lag
vor
allem
in
der
fehlenden
parlamentarischen
Verantwortlichkeit
des
Reichskanzlers
begründet,
den
der
Reichstag
weder
wählen
noch
stürzen
konnte.
Erst
im
Oktober
1918
wurde
die
parlamentarische
Verantwortlichkeit des Reichskanzlers im Rahmen der Oktoberverfassung eingeführt.
Das
eigentliche
Gegengewicht
zu
den
verbündeten
Regierungen,
dem
Bundesrat
und
zur
Reichsleitung
bildete
der
Reichstag.
Das
Wahlrecht
sah
eine
allgemeine
und
gleiche
Wahl
für
Männer
ab
25
Jahren
vor
(in
Form
des
Mehrheitswahlrechts).
Im
Grundsatz
war
die
Wahl
geheim,
wenn
auch
nicht
unbedingt
in
der
Praxis.
Dies
war
im
Vergleich
mit
anderen
europäischen
Staaten,
aber
auch
mit
dem
Wahlrecht
in
vielen
Bundesstaaten,
ein
besonderer demokratischer Zug der Reichsverfassung.
Die
Legislaturperiode
des
Reichstages
dauerte
anfangs
drei
Jahre,
nach
1888
fünf
Jahre.
Der
Bundesrat
konnte
mit
Zustimmung
des
Kaisers
das
Parlament
jederzeit
auflösen
und
Neuwahlen
ausschreiben;
in
der
Realität
ging
die
Initiative
zur
Auflösung
vom
Kanzler
aus.
Die
Abgeordneten
erhielten
als
Gegengewicht
zum
allgemeinen
Wahlrecht
keine
Diäten.
Die
Abgeordneten
hatten
ein
freies
Mandat
und
waren
nach
dem
Verfassungstext
nicht
an
die
Aufträge
der
Wähler
gebunden.
Tatsächlich
gab
es
in
den
ersten
Legislaturperioden
zahlreiche
„wilde
Abgeordnete“. In der Praxis setzte sich freilich rasch die Fraktionsbildung weiter durch.
Der
Reichstag
war
neben
dem
Bundesrat
gleichberechtigtes
Organ
bei
der
Verabschiedung
von
Gesetzen.
Dieses
zentrale
Parlamentsrecht
war
im
Zeitalter
des
Rechtspositivismus
von
wachsender
Bedeutung,
beruhte
das
Regierungshandeln
doch
im
Kern
auf
Gesetzen.
Verordnungen
der
Regierung
spielten
nach
der
Entwicklung
der
Lehre
vom
Gesetzesvorbehalt
nur
noch
nach
parlamentarischer
Ermächtigung
eine
Rolle.
Verwaltungsrichtlinien
kam
nur
verwaltungsinterne
Wirkung
zu.
Die
zweite
Kernkompetenz
des
Parlaments
war
die
Verabschiedung
des
Haushalts
in
Form
eines
Gesetzes.
Die
Haushaltsdebatte
entwickelte
sich
rasch
zur
Generaldebatte
über
das
gesamte
Handeln
der
Regierung.
Allerdings
war
die
Entscheidungsmöglichkeit
über
den
Militäretat,
der
den
Hauptausgabeposten
des
Reiches
bildete,
begrenzt.
Bis
1874
war
der
Etat
ohnehin
festgelegt
und
später
sorgten
die
Septennate
und
später
die
Quinquennate
für
eine Begrenzung der Parlamentsrechte in diesem Bereich. Die Gesetzesinitiative, also das Recht, mögliche neue Gesetze vorzuschlagen, hatte der Reichstag ebenso wie der Reichskanzler.
Damit
war
die
politische
Leitung
des
Reiches
auf
die
Zusammenarbeit
mit
dem
Reichstag
angewiesen.
Anders
als
die
Verfassungspräambel
es
vermuten
ließ,
war
das
Reich
mitnichten
ein
„Fürstenbund“.
Vielmehr
stellte
die
Verfassung
einen
Kompromiss
zwischen
den
nationalen
und
demokratischen
Forderungen
des
aufstrebenden
Wirtschafts-
und
Bildungsbürgertums
und
den
dynastischen
Herrschaftsstrukturen
dar
(konstitutionelle
Monarchie),
beziehungsweise
einen
Kompromiss
zwischen
dem
unitarischen
Prinzip,
das
von
Kaiser
und
Reichstag
verkörpert
wurde, und dem föderalistischen Prinzip mit dem Bundesrat als Vertretung der Gliedstaaten.
Machtzentren des Reiches
Die
Verfassungsordnung
war
ein
wichtiger
Rahmen
für
die
tatsächliche
Herrschaftsordnung.
Tatsächlich
waren
die
in
der
Bismarckschen
Reichsverfassung
verankerten
Institutionen
wie
der
Reichstag
oder
der
Kanzler
für
das
politische
System
von
zentraler
Bedeutung.
Darüber
hinaus
gab
es
weitere
Machtzentren,
die
von
der
geschriebenen
Verfassung
nur
teilweise
abgebildet
wurden.
Bürokratie und Verwaltung
So
gut
wie
keine
Erwähnung
fand
in
der
Verfassung
etwa
die
Bürokratie.
Bei
allen
innenpolitischen
Konflikten
sorgte
der
bürokratische
Apparat
für
Kontinuität.
Gleichzeitig
mussten
die
politischen
Entscheidungsträger
–
auch
Reichskanzler
und
Kaiser
–
mit
dem
Eigengewicht
der
höheren
Beamten
rechnen.
Allerdings
hatte
das
Reich
selbst
zu
Anfang
nur
einen
bescheidenen
Apparat und war lange Zeit auf die Zuarbeit der preußischen Ministerien angewiesen.
Neben
dem
Reichskanzler
gab
es
keine
regelrechte
Reichsregierung.
Anstelle
von
Ministern
gab
es
lediglich
eine
Reihe
von
dem
Kanzler
unterstellten
Staatssekretären,
die
Reichsämtern
vorsaßen.
So
entstanden
im
Laufe
der
Zeit
neben
dem
Reichskanzleramt,
ein
Reichseisenbahnamt,
ein
Reichspostamt,
ein
Reichsjustizamt,
ein
Reichsschatzamt,
ein
Ministerium
für
Elsaß-
Lothringen,
das
Auswärtige
Amt,
Reichsamt
des
Innern,
ein
Reichsmarineamt
und
schließlich
ein
Reichskolonialamt.
Die
verwaltungsmäßige
Abhängigkeit
von
Preußen
verringerte
sich
zwar
mit dem personellen Ausbau der Reichsverwaltung. Bis zum Schluss aber war die organisatorische Verbindung zwischen Preußen und dem Reich von großer Bedeutung.
In
den
höheren
Positionen
auch
der
höheren
Reichsverwaltung
waren
Protestanten
ebenso
wie
Angehörige
des
Adels
überrepräsentiert.
So
gehörten
von
insgesamt
31
Reichsstaatssekretären
zwölf
dem
Adel
an
und
1909
waren
71
%
evangelischer
Konfession.
Politisch
allerdings
waren
diese
anfangs
noch
vergleichsweise
liberal
ausgerichtet.
Erst
eine
langfristige
Nachwuchspolitik sorgte auf längere Sicht für eine konservative Ausrichtung der höheren Beamtenschaft.
Monarchie und Hof
Die
Verfassung
garantierte
dem
Kaiser
einen
erheblichen
Handlungsspielraum.
Für
die
Entscheidungen
der
Monarchen
spielten
die
verschiedenen
kaiserlichen
Beratungsgremien
wie
das
Zivil-,
Militär-
und
Marinekabinett
wichtige
Rollen.
Hinzu
kamen
der
Hof
und
die
engen
persönlichen
Vertrauten
der
Kaiser.
Bereits
mit
Wilhelm
I.
nahm
der
Monarch
erheblichen
Einfluss
auf
die
Personalpolitik,
ohne
in
der
Regel
in
die
Tagesgeschäfte
einzugreifen.
Vor
allem
unter
Kaiser
Wilhelm
II.
mit
seinem
Anspruch
eines „persönlichen Regiments“ war diese Ebene eines der zentralen Machtzentren des Reiches.
Kaum
zu
unterschätzen
ist
auch
der
Wandel
des
Kaisers
von
einem
Präsidium
des
Bundes
zu
einem
Reichsmonarchen.
Auch
außerhalb
Preußens
wurden
nicht
mehr
nur
die
Gedenktage
der
verschiedenen
Dynasten,
sondern
auch
Kaisers
Geburtstag
gefeiert.
Der
Kaiser
wurde
zunehmend
zu
einem
Symbol
des
Reiches.
Die
Frage,
inwieweit
Kaiser
Wilhelm
II.
tatsächlich
ein
persönliches
Regime
durchsetzen
konnte,
ist
freilich
in
der
Geschichtswissenschaft
umstritten.
Hans-Ulrich
Wehler
sieht
in
den
Jahren
nach
1888
eher
eine
autoritäre
Polykratie,
in
der
neben
dem
„bramarbasierenden,
aber
schwachen“
Kaiser
der
Reichskanzler,
Alfred
von
Tirpitz
als
Staatssekretär
des
Reichsmarineamts,
der
Generalstab,
die
Bürokraten
der
Reichsämter
und die Vertreter der verschiedenen Wirtschaftsinteressen miteinander um die Grundlinien der Reichspolitik rangen.
Unstrittig
ist,
dass
der
kaiserliche
Einfluss
bis
1897
noch
begrenzt
war,
während
die
Bedeutung
des
Kaisers
bis
1908
deutlich
zunahm,
um
danach
wieder
an
Bedeutung
zu
verlieren.
Dazu
beigetragen
hat
die
Affäre
um
den
Vertrauten
des
Kaisers
Philipp
zu
Eulenburg.
Diese
und
die
anschließende
Daily-Telegraph-Affäre
haben
mit
dazu
geführt,
das
Ansehen
des
Kaisers
–
nicht
aber der Monarchie als Institution – in der Öffentlichkeit zu verringern.
MILITÄR
Das
Heer
und
die
Marine
blieben,
abgesehen
von
der
Bewilligung
der
nötigen
Finanzmittel,
nach
der
Verfassung
weitgehend
der
Verfügungsgewalt
des
preußischen
Königs
beziehungsweise
des
Kaisers
unterstellt.
Die
Grenzen
der
absolutistisch
anmutenden
„Kommandogewalt“
waren
dabei
kaum
definiert.
Es
blieb
daher
eine
der
zentralen
Stützen
der
Monarchie.
Unterhalb
des
„obersten
Kriegsherrn“
existierten
mit
dem
Militärkabinett,
dem
preußischen
Kriegsministerium
und
dem
Generalstab
drei
Institutionen,
die
zeitweise
untereinander
um
Kompetenzen
stritten.
Insbesondere
der
Generalstab
bereits
unter
Helmuth
Karl
Bernhard
von
Moltke
und
später
Alfred
von
Waldersee
versuchte
Einfluss
auch
auf
politische
Entscheidungen
zu
nehmen.
Dasselbe
gilt
für
Alfred
von
Tirpitz in Marinefragen.
Die
Armee
richtete
sich
nicht
nur
gegen
äußere
Feinde,
sondern
sollte
nach
dem
Willen
der
militärischen
Führung
auch
im
Innern
etwa
bei
Streiks
zum
Einsatz
kommen.
In
der
Praxis
wurde
die
Armee
zwar
bei
den
großen
Streiks
kaum
eingesetzt.
Dennoch
bildete
die Armee als Drohpotential einen nicht zu unterschätzenden innenpolitischen Machtfaktor.
Die
enge
Verbundenheit
mit
der
Monarchie
spiegelte
sich
zunächst
noch
im
stark
adelig
geprägten
Offizierskorps
wider.
Auch
später
behielt
der
Adel
eine
starke
Stellung
unter
den
Führungsrängen,
allerdings
drang
im
mittleren
Bereich
mit
der
Vergrößerung
der
Armee
und
der
Flotte
der
bürgerliche
Anteil
stärker
vor.
Die
entsprechende
Auswahl
und
die
innere
Sozialisation
im
Militär
sorgten
allerdings dafür, dass auch das Selbstverständnis dieser Gruppe sich kaum von dem ihrer adeligen Kameraden unterschied.
Der
Militarismus
in
Deutschland
verstärkte
sich.
Zwischen
1848
und
den
1860er
Jahren
hat
die
Gesellschaft
das
Militär
eher
mit
Misstrauen
betrachtet.
Dies
änderte
sich
nach
den
Siegen
von
1864
bis
1871
fundamental.
Das
Militär
wurde
zu
einem
zentralen
Element
des
entstehenden
Reichspatriotismus.
Kritik
am
Militär
galt
als
unpatriotisch.
Dennoch
unterstützten
die
Parteien
eine
Vergrößerung
der
Armee
nicht
unbegrenzt.
So
erreichte
das
Militär
erst
1890
mit
einer
Friedenspräsenzstärke
von
fast
490.000
Mann
seine
von
der
Verfassung
vorgegebene
Stärke
von
einem
Prozent
der
Bevölkerung.
In
den
folgenden
Jahren
wurden
die
Landstreitkräfte
weiter
verstärkt.
Zwischen
1898
und
1911
forderte
die
kostspielige
Flottenrüstung
Einschränkungen
beim
Landheer.
In
dieser
Zeit
hatte
sich
der
Generalstab
selbst
gegen
einen
Ausbau
der
Truppenstärke
gewandt,
weil
er
eine
Verstärkung
des
bürgerlichen
zu
Lasten
des
adeligen
Elements
im
Offizierskorps
befürchtete.
Im
Jahr
1905
entstand
mit
dem
Schlieffen-Plan
das
Konzept
für
einen
möglichen
Zweifrontenkrieg
gegen
Frankreich
und
Russland
unter
Berücksichtigung
einer
Teilnahme
Englands
auf
Seiten
der
Gegner.
Nach
1911
wurde
die
Aufrüstung
intensiv
vorangetrieben.
Die
für
die
Durchführung
des
Schlieffenplanes
notwendige
Truppenstärke wurde dabei letztlich nicht erreicht.
Das
Heer
gewann
während
des
Kaiserreichs
eine
sehr
starke
gesellschaftlich
prägende
Bedeutung.
Das
Offizierskorps
galt
in
weiten
Teilen
der
Bevölkerung
als
„Erster
Stand
im
Staate.“
Dessen
Weltbild
war
dabei
geprägt
von
der
Treue
zur
Monarchie
und
der
Verteidigung
der
Königsrechte,
es
war
konservativ,
antisozialistisch
und
grundsätzlich
antiparlamentarisch
geprägt.
Der militärische Verhaltens- und Ehrenkodex reichte weit in die Gesellschaft hinein. Auch für viele Bürger wurde der Status eines Reserveoffiziers nunmehr zu einem erstrebenswerten Ziel.
Von
Bedeutung
war
das
Militär
zweifellos
auch
für
die
innere
Nationsbildung.
Der
gemeinsame
Dienst
förderte
die
Integration
der
katholischen
Bevölkerung
in
das
protestantisch
dominierte
Reich.
Selbst
die
Arbeiter
blieben
gegenüber
der
Ausstrahlung
des
Militärs
nicht
immun.
Dabei
kam
dem
mindestens
zwei
Jahre
(bei
der
Kavallerie
drei
Jahre)
dauernden
Wehrdienst
als
sogenannter
„Schule
der
Nation“
eine
prägende
Rolle
zu.
Wegen
des
Überangebots
an
Wehrpflichtigen
in
Deutschland
leistete
allerdings
nur
gut
die
Hälfte
eines
Jahrgangs
aktiven
Militärdienst.
Wehrpflichtige
mit
höherer
Schulbildung
–
fast
ausschließlich
Angehörige
der
Mittel-
und
Oberschicht
–
hatten
das
Privileg,
als
Einjährig-Freiwilliger
verkürzten
Militärdienst
zu leisten.
Heinrich
Manns
Untertan,
der
Hauptmann
von
Köpenick
oder
die
Zabern-Affäre
spiegeln
die
Bedeutung
des
Militarismus
in
der
deutschen
Gesellschaft
wider.
Überall
im
Reich
wurden
die
neuen
Kriegervereine
zu
Trägern
einer
militaristischen
Weltanschauung.
Welche
Breitenwirkung
diese
entfalteten,
zeigt
die
Mitgliederzahl
von
2,9
Millionen
im
Kyffhäuserbund
(1913).
Der
Bund
war
damit
die
stärkste
Massenorganisation
des
Reiches.
Die
vom
Staat
geförderten
Vereine
sollten
die
militärische,
nationale
und
monarchische
Gesinnung
pflegen
und
die
Mitglieder
gegenüber der Sozialdemokratie immunisieren.
Bevölkerung, Wirtschaft und Gesellschaft
In
die
Zeit
des
Kaiserreichs
fielen
fundamentale
demografische,
wirtschaftliche
und
soziale
Veränderungen,
die
in
einem
erheblichen
Maß
auch
Kultur
und
Politik
beeinflussten.
Ein
Kennzeichen
dafür
war
das
enorme
Bevölkerungswachstum.
Im
Jahr
1871
lebten
im
Reich
41
Mio.
Einwohner,
1890
waren
es
über
49
Mio.
und
1910
fast
65
Mio.
Einwohner.
Nicht
zuletzt
durch
Binnenwanderungen
–
zunächst
aus
der
Umgebung,
später
auch
durch
Fernwanderungen
etwa
aus
den
agrarischen
preußischen
Ostgebieten
nach
Berlin
oder
Westdeutschland
–
wuchs
die
Stadtbevölkerung,
insbesondere
die
Großstadtbevölkerung,
stark
an.
Lebten
1871
noch
64
%
der
Bevölkerung
in
Gemeinden
mit
weniger
als
2000
Einwohnern
und
nur
5
%
in
Großstädten
mit
mehr
als
100.000
Einwohnern,
gab
es
bereits
1890
einen
Gleichstand
zwischen
Stadt-
und
Landbewohnern.
Im
Jahr
1910
lebten
nur
noch
40
%
in
Gemeinden
mit
weniger
als
2000
Einwohnern
und
21,3
%
in
Großstädten.
Damit
verbunden
war
auch
eine
Veränderung
der
Lebensweisen.
So
unterschied
sich
das
Leben
etwa
in
den
Mietskasernen
von
Berlin
grundlegend vom Leben auf dem Dorf.
Dieser Wandel war nur möglich, weil es einige Voraussetzungen dafür gab:
die Wirtschaft konnte genügend Arbeitsplätze zur Verfügung stellen
das Bankwesen und insbesondere die großen Universalbanken hatten sich weiterentwickelt und waren gewachsen
Verkehrswesen
und
Logistik
hatten
Fortschritte
gemacht
(siehe
auch
Geschichte
der
Eisenbahn
in
Deutschland):
zum
Beispiel
transportierte
die
Preußische
Ostbahn
ein
Vielfaches
der
beim Bau prognostizierten Menge von Gütern – darunter große Mengen Lebensmittel – vom Land in Ballungsräume.
In
diese
Zeit
fällt
der
Übergang
Deutschlands
von
einem
landwirtschaftlich
geprägten
Land
zu
einem
modernen
Industriestaat
(→
Hochindustrialisierung
in
Deutschland).
Dabei
dominierten
zu
Beginn
des
Reiches
der
Eisenbahnbau
und
die
Schwer-
industrie;
später
kamen
als
neue
Leitsektoren
die
chemische
Industrie
und
die
Elektroindustrie
hinzu.
1873
hatte
der
Anteil
des
primären
Sektors
am
Nettoinlandsprodukt
bei
37,9
%
und
der
der
Industrie
bei
31,7
%
gelegen.
1889
war
der
Gleichstand
erreicht;
1895
kam
die
Landwirtschaft
nur
noch
auf
32
%,
der
sekundäre
Sektor
dagegen
auf
36
%.
Diese
Veränderung
spiegelte
sich
auch
in
der
Entwicklung
der
Beschäftigungsverhältnisse
wider.
Lag
die
Relation
der
landwirtschaftlich
Berufstätigen
gegenüber
denen
in
Industrie,
Verkehr
und
Dienstleistungssektor
1871
noch
bei
8,5
zu
5,3
Millionen,
betrug
das
Verhältnis
1880
9,6
zu
7,5
Millionen
und
1890
9,6
zu
10
Millionen.
Im
Jahr
1910
zählte
man
10,5
Millionen
Beschäftigte
in
der
Landwirtschaft,
hingegen
in
Industrie,
Verkehr
und
Dienstleistungsberufen
13
Millionen Arbeitnehmer.
Sozialgeschichtlich
war
das
Kaiserreich
vor
allem
geprägt
vom
Aufstieg
der
Arbeiterschaft.
Dabei
entwickelten
die
unterschiedlichen
Herkunftsgruppen
aus
Ungelernten,
Angelernten
und
gelernten
Arbeitern
bei
allen
weiterbestehenden
Unterschieden
durch
die
gemeinsamen
Erfahrungen
am
Arbeitsplatz
und
in
den
Wohnquartieren
tendenziell
ein
spezifisches
Selbstverständnis
der
Arbeiterbevölkerung.
Mit
der
Entstehung
von
Großbetrieben,
neuen
staatlichen
Dienstleistungen
und
der
Zunahme
von
Handel
und
Verkehr
nahm
daneben
die
Zahl
der
Angestellten
sowie
der
kleineren
und
mittleren
Beamten
zu.
Diese
achteten
auf
soziale
Distanz
zu
den
Arbeitern,
auch
wenn
sich
ihre
ökonomische
Lage von der der Industriearbeiter wenig unterschied.
Zu
den
stagnierenden
Teilen
der
Gesellschaft
gehörte
der
alte
städtische
Mittelstand.
Handwerker
fühlten
sich
oft
von
der
Industrie
in
ihrer
Existenz
bedroht.
Die
Realität
war
allerdings
unterschiedlich:
Es
gab
überbesetzte
traditionelle
Handwerksberufe;
andererseits
profitierten
Bau-
und
das
Nahrungsmittelhandwerke
von
der
wachsenden
Bevölkerung
und
der
Stadtentwicklung.
Viele
Berufe
passten
sich
an
Entwicklungen
an, zum Beispiel stellten die Schuhmacher keine Schuhe mehr her, sondern reparierten sie nur noch.
Es
gelang
dem
Bürgertum,
seine
kulturellen
Normen
weitgehend
durchzusetzen,
wobei
das
Wirtschaftsbürgertum
(einschließlich
der
großen
Industriellen)
ökonomisch
führend
war
und
die
Bildungsbürger
Deutschland
zu
einem
Zentrum
der
Wissenschaft
und
Forschung
machten.
Gleichwohl
blieb
der
politische
Einfluss
des
Bürgertums
begrenzt,
zum
Beispiel
durch
die
Eigenarten
des
politischen
Systems und durch den Aufstieg der Arbeiter und der neuen Mittelschichten.
Wirtschaftlich
war
die
Existenz
des
Grund
besitzenden
Adels
vor
allem
in
Ostelbien
durch
die
zunehmende
internationale
Verflechtung
des
Agrarmarktes
bedroht.
Die
Forderung
des
Adels
und
der
landwirtschaftlichen
Interessenverbände
nach
staatlicher
Hilfe
wurde
ein
Merkmal
der
Innenpolitik
während
der
Kaiserzeit.
Gleichzeitig
sorgte
die
preußische
Verfassung
dafür,
dass
der
Adel
im
größten
Staat
des
Reiches
zahlreiche
Sonderrechte
behielt.
Auch
konnte
der
Adel
in
Militär,
Diplomatie
und
Bürokratie seinen Einfluss bewahren.
Konfessionen und Kirchen im Kaiserreich
An
der
allgemeinen
Konfessionsverteilung
der
Frühen
Neuzeit
änderte
sich
grundsätzlich
kaum
etwas.
Weiterhin
gab
es
fast
rein
katholische
Gebiete
(Nieder-
und
Oberbayern,
nördliches
Westfalen,
Oberschlesien
und
andere)
und
fast
rein
protestantische
(Schleswig-Holstein,
Pommern,
Sachsen
etc.).
Die
konfessionellen
Vorurteile
und
Vorbehalte,
insbesondere
gegenüber
gemischt
konfessionellen
Ehen,
waren
daher
weiterhin
erheblich.
Nach
und
nach
kam
es
durch
Binnenwanderung
zu
einer
allmählichen
konfessionellen
Durchmischung.
In
den
östlichen
Reichsgebieten
kam
häufig
auch
ein
nationaler
Gegensatz
hinzu,
da
dort
weitgehend
die
Gleichung
protestantisch
=
deutsch,
katholisch
=
polnisch
galt.
In
den
Zuwanderungsgebieten
etwa
im
Ruhrgebiet
und
Westfalen
oder
in
einigen
Großstädten
kam
es
zum
Teil
zu
erheblichen
konfessionellen
Verschiebungen
(insbesondere
im
katholischen
Westfalen
durch
protestantische
Zuwanderer aus den Ostprovinzen).
Politisch
hatte
die
Konfessionsverteilung
erhebliche
Folgen.
In
den
katholisch
dominierten
Gebieten
gelang
es
der
Zentrumspartei,
die
überwiegende
Mehrzahl
der
Wähler
für
sich
zu
gewinnen.
So
gelang
es
den
Sozialdemokraten
und
ihren
Gewerkschaften
kaum,
in
den
katholischen
Teilen
des
Ruhrgebiets
Fuß
zu
fassen.
Erst
mit
der
zunehmenden
Säkularisierung
in
den
letzten Jahrzehnten des Kaiserreichs begann sich dies zu ändern.
Judentum und Antisemitismus
Um
1871
bildeten
die
Juden
im
Deutschen
Kaiserreich
mit
einem
Anteil
von
etwas
über
einem
Prozent
der
Gesamtbevölkerung
eine
prozentual
kleine
Minderheit.
Durch
eine
geringere
Geburtenzahl
und
dem
zunehmenden
Anteil
christlich-jüdischer
Ehen,
bei
denen
die
Kinder
meist
christlich
erzogen
wurden,
nahm
ihr
Anteil
allmählich
ab.
Die
jüdische
Bevölkerung
konzentrierte
sich
in
den
größeren
Städten.
Um
1910
lebten
ein
Drittel
aller
deutschen
Juden
in
der
Stadt
Berlin
mit
Umlandgemeinden,
wo
ihr
Bevölkerungsanteil
etwa
5
%
betrug.
Zentren
jüdischen
Lebens
waren
neben
Berlin
Frankfurt
am
Main
(10
%),
Breslau
(5,5
%),
Königsberg
(Preußen)
und
Hamburg
(3,2
%).[37]
Aber
es
gab
auch
ländliche
Regionen
mit
überdurchschnittlichem
jüdischen
Bevölkerungsanteil:
im
Osten
die
Provinz
Posen,
Westpreußen
und
Oberschlesien,
im
Südwesten
das
Großherzogtum
Hessen,
Unterfranken, die Pfalz (Bayern) und Elsaß-Lothringen.
In
den
Ostprovinzen
mit
gemischt
deutscher
und
polnischer
Bevölkerung
bekannten
sich
die
Juden
überwiegend
zum
Deutschtum.
Auch
unter
denjenigen
Juden,
die
ostjiddische
Dialekte
sprachen,
war
die
Tendenz
zur
Assimilation
in
die
deutsche
Gesellschaft
lange
Zeit
stark
ausgeprägt.
Der
Zionismus,
der
eine
nationale
Heimstätte
für
die
Juden
in
Palästina
zu
begründen
suchte,
wurde
bis
zum
Ende
des
Kaiserreichs
von
der
ganz
überwiegenden
Mehrheit
der deutschen Juden abgelehnt.
1893
wurde
der
Central-Verein
deutscher
Staatsbürger
jüdischen
Glaubens
gegründet,
und
der
Name
des
Vereins
war
Programm.
Der
Central-Verein
machte
sich
die
Bekämpfung
des
Antisemitismus
zur
Aufgabe,
lehnte
aber
alle
Vorstellungen
von
den
Juden
als
einem
Volk
oder
eigenen
Rasse
ab,
sondern
betrachtete
die
deutschen
Juden
gewissermaßen
als
einen
der
deutschen
Stämme.
Insgesamt
waren
deutsche
Juden
im
Bereich
von
Wirtschaft,
Kultur,
Wissenschaft
und
den
akademischen
Berufen
außerordentlich
erfolgreich.
Nach
der
Statistik
von
1910
lag
der
jüdische
Bevölkerungsanteil
bei
0,95
%
(615.000
von
64.926.000).
Davon
waren
555.000
deutscher
Herkunft,
die
restlichen
60.000
(ca.
10
%)
nicht-deutscher
Staatsangehörigkeit
(meist
Flüchtlinge
aus
Polen,
Ukraine
und
Russland).
Dem
gegenüber
waren
4,28
%
der
Staatsanwälte
und
Richter,
6,01
%
der
Ärzte,
14,67
%
der
Anwälte
und
Notare
im
Deutschen
Kaiserreich
jüdischen
Glaubens.
Überproportional
viele
prominente
Musiker
und
Virtuosen
waren
jüdischer
Abstammung.
Besonders
deutlich
war
der
jüdische
Beitrag
in
Großstädten,
insbesondere
in
Berlin.
Damit
leisteten
die
deutschen
Juden
einen
herausragenden Beitrag zum weltweiten Kulturleben.
Trotzdem
konnte
der
Antisemitismus
aus
unterschiedlichen
Gründen
gerade
im
späteren
Kaiserreich
unter
Kaiser
Wilhelm
II.
administrativ,
gesellschaftlich
und
politisch
Fuß
fassen.
Bestimmte
Berufe
waren
den
Juden
praktisch
verschlossen.
So
war
es
für
einen
Juden
unmöglich,
Offizier
zu
werden
(was
eine
schwerwiegende
Einschränkung
darstellte,
da
der
Offiziersstand
zu
den
angesehensten
Berufen
des
Kaiserreichs
gehörte).
Beispielhaft
hielt
der
preußische
Kriegsminister
Karl
von
Einem
1907
„ein
Eindringen
jüdischer
Elemente
in
das
aktive
Offizierskorps
nicht
nur
für
schädlich,
sondern
für
direkt
verderblich“.
Der
Anteil
jüdischer
Universitätsprofessoren
lag
prozentual
deutlich
unter
dem
Anteil
jüdischer
Privatdozenten,
was
zum
Teil
Ausdruck
antijüdischer
Vorbehalte
bei
Lehrstuhlbesetzungen
war.
Führende
Gelehrte
–
auch
wenn
sie
die
Antisemitenbewegung
als
primitiv
ablehnten
–
äußerten
sich
voller
Misstrauen
gegenüber
dem
Eindringen
der
Juden
in
die
akademischen
Berufe
und
zeichneten
das
Phantasiegebilde
einer
möglichen
Herrschaft
der
Juden
über
die
deutschen
Universitäten.
Juden
wurden
nie
auf
einen
Lehrstuhl
für
deutsche
Sprache
und
Literatur
oder
für
klassische
Altertumswissenschaft
und
Sprachen
berufen
und
bekamen
vorwiegend
nur
in
den
sich
neu
entfaltenden
mathematisch-
naturwissenschaftlichen
Fächern
und
der
Medizin
eine
Anstellung,
wo
sie
Herausragendes
leisteten.
Der
spätere
Nobelpreisträger
Richard
Willstätter
bekannte
später:
…
viel
tieferen
Eindruck,
entscheidenden,
hat
auf
mich
die
Haltung
der
Fakultäten
gemacht,
nämlich
die
häufigen
Fälle,
daß
die
Berufung
jüdischer
Gelehrter
bekämpft
und
verhindert
wurde,
und
die
Art
und
Weise in der dies geschah. Die Fakultäten ließen Ausnahmen zu, gewährten aber keine Gleichberechtigung.
Trotz
des
hohen
Prozentsatzes
jüdischer
Anwälte
war
diesen
die
höhere
juristische
Laufbahn
weitgehend
verschlossen.
Insbesondere
Richterämter
wurden
nur
restriktiv
mit
Juden
besetzt,
was
damit
begründet
wurde,
dass
das
Richteramt
besonderes
Vertrauen
voraussetze
und
man
es
daher
mit
Rücksicht
auf
die
Empfindungen
der
Bevölkerung
nicht
mit
Juden
besetzen
könne,
auch
könne
ein
Jude
schlecht
einem
Christen
einen
Eid
abnehmen.
Juden
war
es
sehr
erschwert
oder
unmöglich,
ein
höheres
Staatsamt
zu
erhalten.
Im
Gegensatz
zu
Großbritannien,
wo
ein
christlich
getaufter
Jude
–
Benjamin
Disraeli
–
sogar
Premierminister
wurde,
gab
es
im
Kaiserreich
keinen
jüdischen
Minister.
Einzelne
Juden,
die
in
ein
höheres
Staatsamt
gelangten,
wie
etwa
der
Direktor
der
Kolonialabteilung
des
Auswärtigen
Amts
Bernhard
Dernburg,
blieben
Ausnahmen.
In
den
aufblühenden
Seebädern
an
Nord-
und
Ostsee
breitete
sich
der
Bäder-
Antisemitismus aus. Antisemitische Vorurteile und karikaturhafte Vorstellungen von Juden waren in fast allen Bevölkerungsschichten zu finden.
Auch
die
Haltung
der
sozialdemokratischen
Partei
war
eine
Zeitlang
zumindest
ambivalent,
da
dort
das
Stereotyp
des
reichen
kapitalistischen
Juden
existierte.
Grundsätzlich
wurde
der
Antisemitismus
von
den
Sozialdemokraten
abgelehnt;
der
Parteivorsitzende
August
Bebel
verurteilte
den
Antisemitismus
in
einem
1893
gehaltenen
Grundsatzreferat
Antisemitismus
und
Sozialdemokratie
als
reaktionär.
Konservative
Parteien
liebäugelten
zeitweilig
mit
antisemitischen
Programmpunkten.
So
wandte
sich
die
Deutschkonservative
Partei
in
ihrem
Tivoli-
Programm
von
1892
gegen
„den
vielfach
sich
vordrängenden
und
zersetzenden
jüdischen
Einfluss
auf
unser
Volksleben“
und
forderte
eine
christliche
Obrigkeit
und
christliche
Lehrer.
Es
gab
Bestrebungen,
den
Juden
die
im
Verlauf
des
19.
Jahrhunderts
erlangte
bürgerliche
Gleichberechtigung
wieder
zu
entziehen.
Die
Antisemitenpetition
der
„Berliner
Bewegung“
verlangte
1880/81
die
Zurücknahme
der
bürgerlichen
Gleichstellung
der
Juden,
wurde
jedoch
von
der
preußischen
Regierung
und
den
liberalen
Parteien
im
Reichstag
zurückgewiesen.
Immer
wieder
auftretende
antisemitische
Regungen
und
Aktionen
auf
regionaler
Ebene,
wie
sie
beispielsweise
in
der
Konitzer
Mordaffäre
1900–1902
zum
Ausdruck
kamen,
wurden
durch
die
Behörden
unterdrückt.
Als
Gegenreaktion
auf
den
Antisemitismus
wurde
von
liberalen
Gelehrten
und
Politikern
(u.
a.
Theodor
Mommsen,
Rudolf
Virchow,
Johann
Gustav
Droysen)
1890
der
Verein
zur
Abwehr
des
Antisemitismus
(„Abwehrverein“)
gegründet.
Politisch
gelang
es
den
Antisemiten
nicht,
eine
einheitliche
Partei
zu
formieren.
Der
Stimmenanteil
der
zersplitterten
antisemitischen
Parteien
lag
bei
allen
Reichstagswahlen
vor
dem
Ersten
Weltkrieg
höchstens
bei
fünfeinhalb
Prozent.
Der
politische
Antisemitismus
verlagerte
sich
mehr
zur
Deutschkonservativen
Partei,
Berufsverbänden,
Studentenverbindungen
und
den
christlichen
Kirchen.
Abgesehen
von
den
Liberalen
war
die
deutsche
bürgerliche
Kultur
schon
lange
antisemitisch durchtränkt.
Nationale Minderheiten
Muttersprachliche Minderheiten des Deutschen Reiches je Kreis
Das
Deutsche
Reich
entwickelte
sich
zunehmend
zu
einem
einheitlichen
Nationalstaat
nach
dem
Vorbild
Frankreichs
und
Großbritanniens.
Dennoch
gab
es
1880
neben
den
damals
fast
42
Millionen
deutschen
Muttersprachlern
rund
3,25
Millionen
Nichtdeutschsprachige,
darunter
2,5
Millionen
mit
polnischer
oder
tschechischer
Sprache,
140.000
Sorben,
200.000
Kaschuben,
150.000
Litauisch-Sprechende,
140.000
Dänen
sowie
280.000
französische
Muttersprachler.[46]
Diese
lebten
überwiegend
in
der Nähe der Außengrenzen des Reiches.
Nicht
nur
die
Regierung,
der
Kanzler
und
der
Kaiser,
sondern
auch
das
national
und
liberal
gesinnte
Bürgertum
befürwortete
grundsätzlich
eine
Politik
der
kulturellen
und
sprachlichen
Germanisierung
zur
Bildung
einer
neu
zu
definierenden
Nation
inmitten Europas. Dabei spielte die Schule mit dem konsequenten Einsatz des deutschsprachigen Unterrichts eine zentrale Rolle.
Im
Wettstreit
der
unterschiedlichen
Kulturen,
aber
auch
gemäß
dem
Wunsch
nach
einer
im
Innern
wie
von
außen
erkennbaren
deutschen
Nation
wurden
z.
B.
die
polnischen
Pfarrer
im
Teilstaat
Preußen
durch
weltliche,
deutschsprachige
Lehrer
ersetzt.
Eine
Ausnahme
bildeten
die
überwiegend
französischsprachigen
Gebiete
Elsass-Lothringens,
wo
die
französische
Sprache
als
Schulsprache zugelassen war. Wichtig war die Einführung des Deutschen als Amts- und Gerichtssprache.
War
das
preußische
Königreich
mit
seinen
Außengrenzen
im
Osten
vor
der
Reichsgründung
gegenüber
seinen
nationalen
Minderheiten
überwiegend
tolerant
gewesen
und
hatte
den
Schulunterricht
in
der
Muttersprache
ausdrücklich
gefördert,
so
wich
diese
Toleranz
insbesondere
in
den
polnischsprachigen
Gebieten
zunehmend
einer
Politik
der
kulturellen
Nationalisierung.
Die
polnische
Sprache,
in
der
vor
der
Reichsgründung
in
überwiegend
polnischsprachigen
Gebieten
unterrichtet
worden
war,
wurde
nach
und
nach
durch
die
deutsche
Unterrichtssprache
ersetzt.
Nur
der
katholische
Religionsunterricht
durfte
noch
in
polnischer
Sprache
erteilt
werden.
Als
auch
dort
die
deutsche
Unterrichtssprache
eingeführt
wurde,
kam
es
zum
Teil
zu
offenem
Widerstand,
der
sich
unter
anderem
in
Schulstreiks
äußerte
(1901
Wreschener
Schulstreik),
die
die
preußischen
Behörden
und
die
Lehrerschaft
mit
disziplinarischen
Maßnahmen
beantworteten.
Von
den
Sozialdemokraten,
den
Linksliberalen
und
dem
Zentrum
wurden
die
Maßnahmen
scharf
verurteilt.
Im
Fall
der
polnischen
Bevölkerung
kamen
später
auch
Maßnahmen
hinzu,
die
den
polnischen
Großgrundbesitz
zu
Gunsten
deutscher
Siedler
begrenzen
sollten.
Auch
hat
die
Preußische
Ansiedlungskommission
mit
wenig
Erfolg
versucht,
polnischen
Grundbesitz
für
deutsche
Neusiedler
zu
erwerben.
1885
wurden
bei
Polenausweisungen
35.000
Polen
aus
dem
Königreich
Preußen
ausgewiesen.
Das
Verfahren
wurde
von
Bismarck
initiiert
und
vom
preußischen
Innenminister Robert Viktor von Puttkamer umgesetzt.
Dennoch
hatte
diese
neue
Politik
nur
begrenzten
Erfolg,
da
mit
ihr
die
Polen,
die
zuvor
mit
der
toleranten
Haltung
des
preußischen
Staates
recht
gut
leben
konnten,
gegen
die
Obrigkeit
aufgebracht
wurden.
Trotz
finanzieller
Anstrengungen
und
markiger
nationalistischer
Reden
(„Wir
gehen
hier
keinen
Schritt
zurück!“)
kam
es
eher
zu
einer
Zunahme
des
polnischsprachigen
Bevölkerungsanteils
und
Rückgang
des
deutschen
Bevölkerungsanteils
beispielsweise
in
der
Provinz
Posen
und
zu
einer
zunehmenden
Entfremdung
zwischen
Deutschen
und
Polen.
Die
Minderheiten
versuchten
ihre
eigene
Identität
zu
bewahren
und
organisierten
sich
erfolgreich
in
Bauernvereinen,
gründeten
Kreditanstalten
und
Hilfsorganisationen.
Alle
Nationalitäten
waren
beispielsweise
relativ
stabil
im
Reichstag
vertreten
und
anzahlmäßig
sogar
eher
überrepräsentiert.
Selbst
die
ins
Ruhrgebiet
ausgewanderten
Polen
hielten
an
ihrer
Herkunft
fest.
Dort
entstanden
starke
polnische
Gewerkschaften.
Die
antipolnischen
Maßnahmen
während
der
Zeit
des
Kaiserreichs
hatten
eine
unheilvolle
Nachwirkung
auf
das
deutsch-polnische
Verhältnis
im
Allgemeinen.
Als
die
Zweite
Polnische
Republik
nach
dem
Ersten
Weltkrieg
als
unabhängiger
Staat
entstand,
kam
der
größte
Teil
der
ehemaligen
Provinzen
Posen
und
Westpreußen
zu
Polen.
Die
polnische
Regierung
übte
nun
eine
vergleichbar
repressive
Politik
gegenüber
den
deutschen
Minderheiten
in
diesen
Gebieten
aus,
letztlich,
um
diese
zu
nötigen,
das
Land
zu
verlassen.
Begründet wurde diese Politik mit dem Argument, dass diese Gebiete unter deutscher Herrschaft künstlich „germanisiert“ worden seien und nun erneut polonisiert werden müssten.
Wandel und Entwicklung der politischen Kultur
Das
Kaiserreich
war
prägend
für
die
politische
Kultur
in
Deutschland
weit
über
das
Ende
der
Monarchie
hinaus.
Industrialisierung,
Urbanisierung
sowie
die
verbesserten
Kommunikations-möglichkeiten
(z.
B.
die
Verbreitung
der
Tageszeitungen
bis
in
die
unteren
Schichten
hinein)
und
andere
Faktoren
veränderten
auch
den
Bereich
der
politischen
Kultur.
War
die
Politik
zuvor
überwiegend
eine
Sache
der
Eliten
und
Honoratioren,
kam
es
nunmehr
zu
einer
Fundamentalpolitisierung,
an
der
in
unterschiedlicher
Weise
fast
alle
sozialen
Gruppen
einen
Anteil
hatten.
Dazu
beigetragen
hat
zweifellos
auch
das
allgemeine
und
gleiche
Männerwahlrecht
(ab
dem
Alter
von
25
Jahren)
auf
Reichsebene.
Ein
Indiz
dafür
war
die
Zunahme
der
Wahlbeteiligung.
Beteiligten
sich
1871
nur
51
%
der
Wahlberechtigten
an
den
Reichstagswahlen,
waren
es
1912
84,9
%.[49]
Als
entscheidender
Bestandteil
der
Massenpolitisierung
sollte
sich
die
erstarkende
Frauenbewegung
erweisen,
die
sich
wie
in
anderen
Industrieländern
in
dieser
Zeit
formierte,
Reformen
und
vielfach auch das Frauenwahlrecht einforderte.
Entstehung der politischen Lager
In
die
Reichsgründungszeit
fällt
die
Ausprägung
der
verschiedenen
politischen
Lager.
Karl
Rohe
unterscheidet
dabei
ein
sozialistisches,
ein
katholisches
und
ein
nationales
Lager.
Andere
Autoren
unterteilen
letzteres
noch
einmal
in
ein
nationales
und
ein
liberales
Lager.
Ungeachtet
von
Parteispaltungen,
Zusammenschlüssen
oder
ähnlichen
Ereignissen
prägten
diese
Lager
bis
in
die
Weimarer
Republik
hinein
das
politische
Leben
weitgehend
mit.
Alle
diese
Grundorientierungen
hatte
es
in
der
ein
oder
anderen
Weise
bereits
vor
der
Gründung
des
Kaiserreichs
gegeben.
Allerdings
entstand
mit
der
Deutschen
Zentrumspartei
(Zentrum)
erstmals
eine
starke
katholische
Partei,
die
annähernd
alle
sozialen
Gruppen
von
der
katholischen
Landbevölkerung,
die
Arbeiterschaft
bis
hin
zu
Bürgertum
und
Adel
erreichte.
Doch
blieb
die
Parteiorganisation
schwach
und
das
Zentrum
entwickelte
sich
nicht
zu
einer
Massenpartei.
Ein
weiteres
Kennzeichen
war
der
Aufstieg
der
Sozialdemokratie.
Insgesamt
hatte
sich
deren
Anhängerschaft
von
1874
bis
1912
verachtfacht.
Der
Stimmenanteil
der
SPD
stieg
von
etwa
9,1
Prozent (1877) auf 34,8 Prozent (1912).
Dem
Aufstieg
der
Sozialdemokraten
stand
dabei
kein
bedeutsamer
Abstieg
des
bürgerlichen
und
des
katholischen
Lagers
gegenüber.
Obwohl
das
Zentrum
seinen
Mobilisierungsgrad
aus
der
Kulturkampfzeit
nicht
vollständig
halten
konnte,
gelang
es
dieser
Partei,
sich
auch
angesichts
einer
wachsenden
Wählerzahl
zu
behaupten.
Bei
allen
Verwerfungen
gelang
es
auch
dem
bürgerlichen
Lager,
weiterhin
etwa
ein
Drittel
der
Wahlberechtigten
zu
erreichen.
Nach
der
überproportionalen
Stellung
der
Nationalliberalen
und
der
Freikonservativen
Partei
zu
Beginn
des
Kaiserreichs
gab
es
innerhalb
dieses
Bereichs
erhebliche
Verschiebungen.
Am
Ende
des
Kaiserreichs
lagen
Linksliberale,
Konservative
und
Nationalliberale
mit
jeweils
etwas
mehr
als
zehn
Prozent gleichauf.
Nicht
zuletzt
auf
Grund
des
Kulturkampfes
und
später
des
Sozialistengesetzes
entwickelten
die
katholische
Bevölkerung
und
die
Anhänger
der
Sozialdemokratie
einen
besonders
starken
inneren
Zusammenhalt.
Begünstigt
durch
weitere
Faktoren
entstand
ein
katholisches
und
sozialdemokratisches
Milieu.
In
deren
Umfeld
entwickelte
sich
jeweils
ein
Organisations-
und
Vereinswesen,
das
die
Bedürfnisse
der
jeweiligen
Gruppe
von
der
„Wiege
bis
zur
Bahre“
erfüllte.
Im
katholischen
Milieu
war
die
Entwicklung
differenziert.
Vor
allem
in
den
agrarischen
Teilen
des
katholischen
Deutschland
banden
die
Pfarrer,
die
Kirche
sowie
die
traditionellen
gemeindenahen
Vereine
die
Menschen
an
das
Milieu.
In
den
Industriegebieten
und
Städten
dagegen
entwickelten
sich
zur
Integration
der
katholischen
Arbeiterbevölkerung
mit
dem
Volksverein
für
das
katholische
Deutschland
und
den
christlichen
Gewerkschaften
Organisationen
mit
Millionen von Mitgliedern.
Im
sozialdemokratischen
Bereich
entwickelten
sich
nach
dem
Ende
des
Sozialistengesetzes
nicht
nur
die
SPD
zu
einer
Massenorganisation.
Noch
stärker
stiegen
die
Mitgliederzahlen
der
Gewerkschaften
an.
Außerdem
entstand
teilweise
auf
älteren
Grundlagen
ein
weit
verzweigtes
Vereinswesen
der
Arbeiterbildungsvereine,
der
Arbeitersänger
oder
der
Arbeitersportvereine.
Konsumgenossenschaften rundeten dieses Bild ab.
Das
Selbstverständnis
und
die
Lebensweise
von
Katholiken,
von
Sozialdemokraten
und
der
protestantischen
bürgerlichen
Gesellschaft
fielen
deutlich
auseinander.
Ein
Wechsel
zwischen
ihnen
war kaum möglich. Der Zusammenhalt wurde durch die jeweilige Sozialisation auch nach dem Ende von Kulturkampf und Sozialistengesetzen weiter getragen.
Massenorganisationen
Nicht nur im politischen Bereich, sondern auch in fast allen Lebensbereichen entfaltete sich die Massenmobilisierung zur Durchsetzung von Interessen und anderen gesellschaftlichen Zielen.
Auf
der
rechten
Seite
des
politischen
Spektrums
mobilisierten
ein
übersteigerter
Nationalismus
und
die
Kolonialbewegung
Anhänger
aus
verschiedenen
sozialen
Gruppen.
Der
Deutsche
Flottenverein
stützte
sich
auf
1,2
Millionen
Mitglieder.
Zumindest
zeitweise
gelang
es
auch
dem
Antisemitismus,
beachtliche
Resonanz
zu
gewinnen.
Dazu
gehörte
die
christlich-soziale
Partei
um
den
Prediger
Adolf
Stoecker.
Einige
wirtschaftliche
Interessenorganisationen
griffen
diese
populistischen
Forderungen
auf,
um
so
ihre
eigene
Position
zu
stärken.
Besonders
stark
ausgeprägt war der Antisemitismus etwa im Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband. Eng verbunden waren Nationalismus und Antisemitismus im Alldeutschen Verband.
Besonders
erfolgreich
organisierte
der
Bund
der
Landwirte
(BdL)
auch
mit
nationalen
und
antisemitischen
Untertönen
Landwirte
aus
dem
ganzen
Reich,
wobei
die
Führung
jedoch
stets
bei
den
ostelbischen
Agrariern
lag.
Er
stützte
sich
dabei
auf
eine
gut
ausgebaute
Organisation
mit
Millionen
von
Mitgliedern.
Der
Unterstützung
des
Bundes
verdankten
eine
große
Zahl
von
Reichs-
und
Landtagsabgeordneten
ihr
Mandat.
Diese
waren
daher
auch
inhaltlich
dem
BdL
verpflichtet.
Weniger
erfolgreich
in
dieser
Hinsicht
waren
die
Industriellenverbände
wie
der
Centralverband deutscher Industrieller (CdI). Aber auch diesem gelang es, durch eine erfolgreiche Lobbyarbeit im Hintergrund etwa in der Schutzzollfrage die Politik zu beeinflussen.
Mit
den
großen
Industrieverbänden
CdI
und
dem
Bund
der
Industriellen
verbunden
waren
die
vor
allem
seit
den
1890er
Jahren
entstehenden
Arbeitgeberverbände,
die
sich
primär
gegen
die
Mitspracheansprüche
der
Gewerkschaften
richteten.
Neben
den
großen
Interessenverbänden
gab
es
zahlreiche
weitere
wirtschaftlich
orientierte
Organisationen.
Allein
im
Bereich
Industrie,
Handwerk, Handel und Gewerbe existierten 1907 500 Verbände mit ca. 2000 angeschlossenen Organisationen.
Ein
Aspekt
der
Verknüpfung
von
Politik
und
Interessenvertretung
in
der
Arbeiterbevölkerung
war
die
Entstehung
von
Richtungsgewerkschaften.
Träger
waren
der
(soziale)
Liberalismus,
das
katholische
Milieu
und
die
Sozialdemokratie.
Dabei
hatten
die
sogenannten
freien
Gewerkschaften
im
Umfeld
der
SPD
nach
dem
Ende
des
Sozialistengesetzes
die
höchsten
Mitgliederzahlen.
In
wichtigen
Industriegebieten,
wie
dem
Ruhrgebiet,
waren
die
christlichen
Gewerkschaften
teilweise
aber
ebenso
stark
oder
sogar
stärker.
Hinzu
kamen
in
diesem
Gebiet
nach
der
Jahrhundertwende
auch
Organisationen
der
polnischsprechenden
Bergarbeiter,
sodass
die
nichtsozialistischen
Gewerkschaften
in
diesem
industriellen
Kernbereich
des
Reiches
sehr
bedeutend
waren.
Besonders
schwer
tat
sich
der
linke
Flügel
des
Liberalismus
mit
dieser
neuen
Form
der
Politik.
Zwar
bestanden
seit
den
1860er
Jahren
mit
den
Hirsch-Dunckerschen
Gewerkvereinen liberal ausgerichtete Gewerkschaften, ihr Mobilisierungserfolg blieb allerdings vergleichsweise gering.
Nationalismus im Wandel
Zwar
gab
es
weiterhin
einzelstaatliche
und
dynastisch
geprägte
Sonderidentitäten.
Aber
im
Überblick
gewann
die
Identifikation
mit
der
Gesamtnation
eine
gesellschaftlich
prägende
Bedeutung.
Während
des
Kaiserreichs
hat
sich
die
Nationalstaatsidee
deutlich
gewandelt.
Der
alte
Nationalismus
war
bis
1848/1849
eine
auf
Veränderung
abzielende
Oppositionsbewegung,
die
sich
aus
den
klassisch-liberalen
Idealen
der
Französischen
Revolution
gespeist
und
sich
gegen
die
zu
der
Zeit
als
konservativ
geltenden
Kräfte
der
Restaurationsära
gerichtet
hatte.
Spätestens
mit
der
Reichsgründung
begannen
sich
die
Schwerpunkte
zu
verlagern.
Die
bisherigen
Gegner
auf
der
Rechten
übernahmen
nationale
Ideen
und
Ziele.
Der
Nationalismus
wurde
tendenziell
konservativ
geprägt.
Auf
längere
Sicht verlor dabei das demokratische Element an Gewicht.
Wichtiger
als
die
„Freiheit“
wurde
die
„Einheit“.
Dies
führte
unter
anderem
zu
einer
Wendung
gegen
die
nationalen
und
kulturellen
Minderheiten
im
Reich,
insbesondere
gegen
die
Polen
und
–
in
Verbindung
mit
dem
ab
Ende
der
1870er
Jahre
an
Bedeutung
gewinnenden
rassistisch
begründeten
Antisemitismus
–
gegen
die
Juden
(→
Berliner
Antisemitismusstreit).
In
diesen
Zusammenhang
gehören
auch
die
nationalen
Leidenschaften
im
Kampf
gegen
den
ultramontanen
Katholizismus.
Im
weiteren
Verlauf
der
Reichsgeschichte
richtete
sich
der
Nationalismus
nicht
zuletzt
gegen
die
Sozialdemokratie.
Deren
internationalistische
und
revolutionäre
Ideologie
schien
der
politischen
Elite
und
ihren
Anhängern
ein
Beleg
für
ihre
Reichsfeindschaft
zu
sein.
Vor
diesem
Hintergrund
wurden
die
Sozialisten/Sozialdemokraten
seit
Ende
des
19.
Jahrhunderts
noch
während
der
Ära
Bismarck
als
„vaterlandslose
Gesellen“
diffamiert,
beziehungsweise
deren
entsprechender
Ruf
in
den
damaligen
regierungsfreundlichen
und
kaisertreuen Zeitungen lanciert.
Der
Nationalismus
im
Kaiserreich
entfaltete
seit
der
Reichsgründung
eine
bis
dahin
unbekannte
Breitenwirkung
und
erfasste
im
Zusammenwirken
mit
dem
sich
ebenfalls
verstärkenden
Militarismus
nunmehr
auch
die
kleinbürgerlichen
und
bäuerlichen
Bevölkerungsteile.
Getragen
wurde
der
Nationalismus
von
den
Turn-,
Schützen-,
Sänger-
und
vor
allem
den
Kriegervereinen.
Aber
auch
Schule,
Universität,
die
(evangelische)
Kirche
und
das
Militär
haben
zur
Verbreitung
beigetragen.
„Kaiser
und
Reich“
setzte
sich
als
feststehender
Begriff
durch.
Dagegen
hat
die
Verfassung
des
Reiches
keinen
eigenständigen
Symbolwert
entwickeln
können.
Von
den
Institutionen
gewannen
nur
der
Reichskanzler
und
der
Reichstag
in
dieser
Hinsicht
eine
gewisse
Bedeutung.
Der
Reichstag
und
die
allgemeinen
Wahlen
wurden
zu
einem
sichtbaren
Stück
nationaler
Einheit.
Mit
den
Feiern
zu
den
Kaisergeburtstagen,
dem
Sedanstag
und
anderen
Gelegenheiten
durchdrang
das
Nationale
den
Jahreskalender
vor
allem
der
bäuerlichen
und
bürgerlichen
Bevölkerung.
Sichtbar
wurde
der
Nationalismus
auch
in
den
zahlreichen
Nationaldenkmälern
wie
dem
Niederwalddenkmal,
dem
Hermannsdenkmal,
später
den
Kaiser-Wilhelm-Denkmälern
auf
dem
Deutschen
Eck
oder
der
Porta
Westfalica,
den
zahlreichen
Bismarcktürmen
bis
hin
zu
den
lokalen Kriegerdenkmalen.
Auf
längere
Sicht
konnten
sich
auch
die
„Reichsfeinde“
der
Zugkraft
des
Nationalen
nicht
entziehen.
Auf
den
Katholikentagen
wurde
seit
1887
nicht
nur
ein
Hoch
auf
den
Papst,
sondern
auch
eins auf den Kaiser ausgebracht. Vor allem nach Kriegsbeginn 1914 zeigte sich, dass auch die Arbeiter vom Nationalismus keineswegs unbeeinflusst blieben.
Vor
allem
während
der
wilhelminischen
Epoche
trat
neben
den
halboffiziellen
Nationalismus
immer
stärker
ein
völkischer
Radikalnationalismus,
wie
ihn
etwa
der
Alldeutsche
Verband
repräsentierte. Er propagierte nicht nur die Schaffung eines großen Kolonialreiches, sondern auch einen von Deutschland beherrschten mitteleuropäischen Machtbereich.
Deutsches Kaiserreich